SPIESSER unterwegs

Hommage an die zweite Heimat

Inga hat in England studiert, Christian in Kanada ein Praktikum gemacht und Melanie noch nichts davon – warum nicht? Das verstehen Inga und Christian auch nicht.

02. November 2011 - 13:47
von SPIESSER-Autorin Ingalore.
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Ingalore Offline
Beigetreten: 15.03.2011

Ich habe in England eine zweite Heimat gefunden. In vielen Städten auf der Insel habe ich Freunde. Und ab und an treffe ich mich mit Leuten aus der ganzen Welt in Leicester oder in den Städten, in denen sie gerade wohnen. Dieses Jahr feiern wir nach drei Jahren vielleicht wieder zusammen Silvester. Dieses Mal in Frankreich.

Engländer empfangen jeden mit offenen
Armen. Angekommen am Bahnhof in Leicester
habe auch ich England so begrüßt.

Direkt im dritten Semester bin ich für ein halbes Jahr an die University of Leicester gegangen und habe dort genau wie an der TU Darmstadt Politikwissenschaft und Anglistik studiert. Letzte Woche habe ich ein paar Freunden, von denen viele noch nicht für länger im Ausland waren, von meinen Silvesterplänen erzählt. Darauf habe ich nur anerkennende, bei manchen eher sogar neidische Blicke geerntet. „Cool – wir sind nur wieder bei Timo zuhause“, hat Melanie gesagt und: „Ich muss auch unbedingt mal raus aus Deutschland.“

Auch Melanie studiert – Mathematik und Erdkunde auf Lehramt im siebenten Semester. Ihrer Meinung nach schon zu spät, um jetzt noch ins Ausland zu gehen. Warum sie sich noch nicht beworben hat, konnte sie mir aber auch nicht wirklich sagen. „Die Vorbereitungen sind zu stressig“ und „da geht einem so viel Zeit verloren“ und „kein Geld.“

Für mich bodenlose Ausreden.

Zu stressig!

Na gut, was anderen „zu stressig“ ist, kann ich nur schwer beurteilen. Aber ich glaube, dass viele es sich schlimmer vorstellen, als es in Wahrheit ist. Für mich war schon im ersten Semester klar: Ich werde im Ausland studieren. Erfahrungen sammeln, die ich vor meiner Haustür in Darmstadt nicht finde. Mein Englisch und natürlich den Lebenslauf aufpolieren. Neue Freunde aus der ganzen Welt finden. Da waren mir Motivationsschreiben, Bewerbungsgespräch, Gutachten eines Professors und der ganze Papierkram für das ERASMUS-Stipendium und Auslands-BAföG alles andere als zu stressig – und es hat sich ja auch ausgezahlt.

„Du warst ja auch innerhalb Europas unterwegs“, hat Christian nur dazu gesagt. Er hingegen war nämlich für ein Praktikum in Kanada und hat noch einiges zusätzlich machen müssen. „Ich habe Reisepass, Visum, Arbeitserlaubnis, Einreiseformular, Rückflugticket und sogar ein polizeiliches Führungszeugnis gebraucht.“ Bei dem Programm RISE weltweit, mit dem er in Kanada war, wurde dafür gesorgt, dass er nichts vergisst.

Christian konnte von seiner Terrasse aus
direkt auf die Rocky Mountains sehen.

„Das war es auf alle Fälle wert. Kanada ist unberührte Natur pur und die Leute dort sind so herzlich, dass man es sich kaum vorstellen kann. Jeder dort schenkt dir sein letztes Hemd. Zurück in Deutschland fällt mir nur ständig auf, wie unfreundlich wir sind. Daraus habe ich echt gelernt. Überhaupt: Ich habe zum ersten Mal selbstständig gearbeitet und wichtige Vorträge über meine Arbeit gehalten – das hat mir bei meiner Bachelorarbeit ein paar Monate später sehr geholfen.“ So viel zu seiner Hommage an Kanada. Ich konnte nur verständnisvoll grinsen.

Keine Zeit!

Und dann wäre da das Argument mit der Zeit: Mich jedenfalls hat England keinerlei Zeit gekostet. Ich konnte mir alle meine Leistungen anrechnen lassen und musste, zurück in Deutschland, nur die Reihenfolge der Kurse und Vorlesungen ein bisschen anpassen. Natürlich, das hängt auch mit den Angeboten an der Gastuniversität und dem eigenen Lehrplan zusammen. Ich habe auch schon von Leuten gehört, denen kaum etwas ihrer Leistungen aus dem Ausland angerechnet wurde. Aber es steht später trotzdem im Zeugnis und sie haben ja auch was gelernt.

In diesem Labor hat Christian während seiner
Zeit in Kanada gearbeitet.

Wer auf keinen Fall Zeit verlieren will, macht es halt wie Christian. Der hat sein Praktikum nämlich in der vorlesungsfreien Zeit gemacht, wie die Unis die Semesterferien so schön Neudeutsch bezeichnen. Christian studiert Medizinische Biologie in Essen. In Lethbridge, direkt in der Prärie bei den Rocky Mountains, hat er im Labor der University of Lethbridge mit Ribonukleinsäure und Proteinen geforscht. „Eigentlich ein biochemisches Thema – nicht ganz das, was ich im Studium mache. Aber ich hatte mich schon eingelesen und als ich dann im Labor stand, hat auch alles bestens funktioniert.“

Zehn Wochen lang hat er tagtäglich mit Mikroskop und Petrischale hantiert. Und ich glaube, es hat sich gelohnt – auch wenn er damit etwas hinterm Busch hält, weil er nicht angeben will. Seine Forschungsergebnisse sind nun Grundlage für viele weitere Forschungen. „Es ist schwer zu erklären, wofür uns dieses neue Wissen mal dienlich sein wird – etwa eines Tages vielleicht für die Heilung von Krebs. Aber das liegt noch in ferner Zukunft.“

Ihr wollt auch ins Ausland?

Die Kampagne „go out! studieren weltweit“ des Deutschen Akademische Austauschdiensts und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung informiert auf www.go-out.de über den internationalen Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern weltweit. Lest im „go out! Magazin“, findet nützliche Checklisten und lest von den Erlebnissen der „go out! Blogger“. Die virtuelle Studienberaterin Luzie beantwortet außerdem Fragen rund um den Weg ins Ausland.

Kein Geld!

Und das Argument, kein Geld zu haben? Das lasse ich einfach nicht gelten. Es gibt so viele Möglichkeiten, einen Auslandsaufenthalt zu finanzieren. Bei mir war es das ERASMUS-Programm der EU plus Auslands-BAfÖG vom deutschen Staat – damit bin ich locker über die Runden gekommen. Christian war mit „RISE weltweit“ in Kanada, einem Programm, das viele Auslandspraktika anbietet und vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit einem Stipendium unterstützt wird. „Schau dich einfach mal in der Stipendiendatendatenbank des DAAD um“, haben Christian und ich Melanie geraten. „Und frag bei dem Akademischen Auslandsamt deiner Uni nach – so hab ich das auch gemacht. Es gibt ja auch hochschuleigene Stipendien und Partnerhochschulen, an denen man keine Studiengebühren zahlen muss und so weiter.“

Ich bin nicht sicher, ob wir Melanie und die anderen überfordert haben. Aber das musste einfach mal gesagt werden! Und ich glaube, Melanie denkt jetzt doch noch über ein Praktikum im Ausland nach.

Neugierig geworden? Nächste Woche geht es hier weiter mit einem genaueren Einblick in die Finanzierung von Auslandsaufenthalten. Vorab könnt ihr euch schon mal auf www.go-out.de umschauen.

Dieser Beitrag entstand in Zusammen-
arbeit mit „go out! studieren weltweit“.


Text: Inga Schörmann
Fotos: privat

 

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Kommentare

Fünf Kommentare
  • jedem empfehlen : Wenn man die Chance hat, dann sollte man sie nutzen, ins Ausland zu gehen !
    Man lernt so viele neue Leute kennen, lernt viel ueber die Kultur, man wird IMMER mit offenen Armen empfangen und bewundert, wenn man sagt, dass man vom anderen Ende der Welt kommt :)
    Es macht einfach Spass und ich werde auch nach meinem Abitur Deutschland wieder verlassen.
    Die Welt ist gross, das Leben ist kurz. Man sollte jede Chance nehmen und nutzen, die man bekommt !

  • ist sowieso mit Abstand das kuhlste Land der Welt.

  • ist auch gut. :)

  • Ich kann Melanie auch nicht wirklich verstehen.

    Und wenn man das nicht im Studium machen will, kann man es ja auch immer noch davor oder danach machen. Ich für meinen Teil kann gar nicht mehr abwarten bis ich mein Abi in der Tasche hab und den Flieger nach Kanada nehme. :-)

  • Toll! das Argument mit Freunden auf der ganze Welt wird haeufig vergessen oder unterschaetzt.
    Ich war fuer ein Jahr in Amerika und habe die gleichen Erfahrungen wie du gemacht. Diesen Sommer war eine Freundin aus Daenmark da, ueber Silvester geht es vielliecht nach Kolumbien. Und in Amerika? Da habe ich sowieso ein zweites zuhause!

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