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Familienbande

Die typische Familie...gibt es nicht! SPIESSER-Autoren berichten, wie nah oder fern ihre Familien der Klischeevorstellung von Mama, Papa, Kind sind. Für uns haben die Familien tief in ihrer Fotokiste nach dem Beginn der Familiengeschichte gegraben.

02. December 2011 - 15:01
von SPIESSER-Redakteurin Chaosnudel.
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Chaosnudel Offline
Beigetreten: 12.04.2011
„Wenn du jetzt gehst...“

Eine eigene Wohnung – ein Traum! Was ist aber, wenn man gerade mal 16 Jahre alt ist und nun neben der Schule auch noch den Haushalt schmeißen muss? Linda hat es SPIESSER-Autorin Nanda erzählt

Als meine Eltern sich kennenlernten, waren sie vergeben. Die damalige Freundin meines Vaters war Alkoholikerin, Spielerin und ließ meinen Vater irgendwann mit drei gemeinsamen Kindern alleine. Mein Vater suchte damals Hilfe bei meiner Mutter, mit der er bis zu diesem Zeitpunkt nur befreundet war – sie half ihm gern. Die beiden lernten sich lieben und zogen zusammen.

Doch auch diese Beziehung verlief nicht so harmonisch wie gewollt. Als mein Bruder mit 14 an einer psychischen Krankheit litt, belastete das die Beziehung meiner Eltern sehr. Mein Vater war oft gestresst und aggressiv – besonders meiner Mutter gegenüber. Wir haben als Familie wirklich alles versucht – sind sogar zu mehreren Familientherapien gegangen – aber gereicht hat es nicht.

Meine Mutter zog aus und ich entschied mich, bei meinem Vater zu bleiben, weil meine Geschwister ebenfalls bei ihm wohnten. Nach der Trennung besserte sich einiges: Meine Eltern kamen mit der neuen Situation gut klar und gingen endlich wieder vernünftig miteinander um. Bis mein Vater mich schließlich nicht mehr selbst entscheiden ließ, wann ich meine Mutter sehen durfte. Meine Mutter sei ein schlechter Einfluss – fand er. Ich lehnte mich dagegen auf, wollte weg aus dieser Situation. Er stellte mir ein Ultimatum: „Wenn du jetzt gehst, brauchst du nicht wieder zu kommen.“

Ich ging.

Bei meiner Mutter konnte ich aber nicht leben. Sie hatte gerade angefangen, ein neues Leben mit ihrem neuen Freund aufzubauen und nicht genug Platz in ihrer Wohnung. Wir versuchten, in der kleinen Wohnung zusammen zu wohnen, doch es war einfach zu eng. Meine Mutter fragte mich, ob es okay wäre, wenn ich in eine eigene Wohnung ziehen würde.

Tja, und jetzt lebe ich allein – mit 16 Jahren.

Meine Mutter übernimmt die Miete, während mein Vater mir seinen Teil des Unterhalts überweist. Nebenbei versuche ich, durch Kellnern mein „Taschengeld“ aufzubessern. Und das alles neben der Schule. Ich bin in der 12. Klasse eines Gymnasiums – wie das im nächsten Jahr parallel zum Abi laufen soll? Keine Ahnung.

Viele stellen sich das Leben alleine toll vor, weil man so viele Freiheiten hat. Doch es gibt eben auch eine MengeNachteile. Putzen, Wäsche waschen, kochen oder einkaufen ist bei mir an der Tagesordnung – und ganz schön anstrengend. Für mich gibt es nach der Schule nicht erst mal eine Runde „chillen“ vor dem Fernseher. Sobald ich nach Hause komme, gehen mir Fragen durch den Kopf, wie: „Gibt es noch genug Essen im Kühlschrank? Muss ich einkaufen gehen?“

Mein Leben hat sich durch den Auszug komplett verändert. Doch es war das Beste für mich. Mir geht es jetzt besser und auch das Verhältnis zu meinen Eltern hat sich gebessert. Ich bin viel erwachsener als die meisten in meinem Alter. Und falls mir etwas über den Kopf wächst oder ich mit etwas nicht zu Recht komme, ist trotzdem meine Mutter für mich da. Zu ihr habe ich immer noch guten Kontakt. Wir sprechen uns jeden Tag und sehen uns regelmäßig. Zu meinem Vater ist der Kontakt leider vollständig abgebrochen.

Seine Telefonnummer gibt er mir nicht. Und von sich aus will er sich auch nicht bei mir melden. Ich glaube, er nimmt mir übel, dass ich mich gewissermaßen für meine Mutter entschieden habe.

So wie es ist, ist es nicht gut. Er fehlt mir. Dennoch würde ich meine eigene Wohnung nicht aufgeben wollen – ich will so selbstständig bleiben, wie ich es inzwischen gewohnt bin.

Text: Fernanda da Silva
Foto: Julia Bengeser

Fünf Mädels unter einem Dach

Sabine, 51, Sibylle, 48, Yana, 7, Ciara, 5, und Katze Emma sind eine Regenbogenfamilie – die Eltern sind ein lesbisches Paar

„Wir haben beide an der Uni Heidelberg studiert, hatten zusammen einen Job als Hilfswissenschaftlerinnen.“ Die beiden Psychologie-Studentinnen verstehen sich auch abseits des Jobs gut – so gut, dass sie sich verlieben und ein Paar werden. „Später sind wir dann zusammengezogen, und nachdem wir das gemeinsame Haus hatten, haben wir bald Yana adoptiert. Inzwischen sind wir seit siebzehn Jahren ein Paar.“ Klingt nach einer ganz normalen Liebesgeschichte. „Das ist es auch“, sagen Sabine und Sibylle.

Zusätzliche Herausforderungen gibt es dennoch. Sibylle, die zuvor in heterosexuellen Beziehungen gelebt hatte, fiel das Coming-Out vor ihrer Familie schwer. Sabine hingegen hatte nie eine Beziehung zu einem Mann gehabt und sich schon Jahre zuvor geoutet. „Mein Vater musste trotzdem erst mal schlucken, als ich ihm meine Frau fürs Leben vorstellte. Meine Mutter mochte sie auf Anhieb. Ihr war immer nur wichtig, dass ich glücklich bin.“ Dieser Wunsch hat sich in der fünfköpfigen Familie längst erfüllt.

Und im Freundeskreis? „Ein Großteil unserer Freundinnen ist selbst lesbisch.“ Nur kleinere Kinder stutzen oft, wenn sie die Familie das erste Mal treffen. „Da muss doch irgendwo ein Papa sein?!“ fragen sie dann.

Geht es denn wirklich ohne Papa? Oder hat eine der beiden die Paparolle eingenommen? „Wir wollen von den Kindern gleich wahrgenommen werden und hatten auch nie so etwas wie eine Rollenteilung“, erklärt Sibylle. Weil Sabine weiterhin Vollzeit arbeitet, während Sibylle Elternzeit nahm und später halbtags weiterarbeitete, haben sich die Rollen wie von selbst verteilt. Es ist Sibylle, die mittags die Kinder von Schule und Kindergarten abholt. „Ich habe ein bisschen die Papa-Rolle, weil ich oft weg bin“, sagt Sabine.

Also alles wie überall? Nichtganz. Im Urlaub wird regelmäßig eine der Mütter für die Tante der Kinder gehalten, immer wieder gibt es Erklärungsbedarf. „Es ist schon nervig, dauernd alles erklären zu müssen“, sagt Sabine. „Die Kinder sind bei solchen Fragen sensibilisiert, wissen genau über ihre Familie Bescheid und können damit zum Glück gut umgehen.“ Wie das geht beweist die siebenjährige Yana gern. Für ihre Familie hat sie nur drei Worte, die alles sagen, was wichtig ist: „Ich finds toll!“

Text: Ronja Lutz
Foto: Julia Bengeser

Ob es die perfekte Familie gibt? Das sagt euch Franka hier

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