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Er an meiner Seite - ein Blick in die Zukunft

Stell dir mal vor, du hättest jemanden der für dich bürgt. Dir alles gibt was du brauchst und du sagst "irgendwann werde ich es dir zurückgeben, ich weiß nur nicht in welcher Form und wann". Und diese Person würde sich mit diesem mündlichen, nicht bindenen Versprechen abfinden und dich einfach machen lassen... ich bin nicht besonders dankbar, denke ich. Ich habe ihm viel zugemutet. Er liebt mich, jedenfalls denkt er das. Ich bin Yassi. Der Spitzname für Yasemin. Und ich bin Bjane's Heldin. Schon seit über zwanzig Jahren bin ich das.

01. April 2013 - 21:11
von SPIESSER-Autorin MadameEuropa.
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MadameEuropa Offline
Beigetreten: 29.11.2012

ich bin nicht besonders dankbar, denke ich.
Ich habe ihm viel zugemutet. Er liebt mich, jedenfalls denkt er das.
Ich bin Yassi. Der Spitzname für Yasemin. Und ich bin Bjane's Heldin. Schon seit über zwanzig Jahren bin ich das.
Das erste mal haben wir uns bei unserer Einschulung gesehen. Ich musste aus Gesundheitsgründen die erste Klasse wiederholen. Das war 1999. Heute bin ich 38 Jahre alt und Bundestagsabgeordnete. Bjarne programmiert Spiele und ist damit ziemlich erfolgreich.

Bjarne und ich haben uns ziemlich lange aus den Augen verloren, wobei ich vermute dass er mich niemals aus den Augen verloren hat. Für ihn war ich immer besonders. Nach über Zehn Jahren unserer Einschulung sind wir dann doch Freunde geworden. Wir hatten auf einmal den selben Freundeskreis. Seine Jungs haben sich mit meinen Mädels vermischt und so wurde aus uns eine große Gruppe. Wir feierten jeden großen Feiertag gemeinsam und gingen in unseren Lieblingscafes etwas trinken.

Als wir in der Ausbildung waren, ich als Bürokauffrau und er als Verwaltungsfachangestellter, war unsere Freundschaft am größten. Und nach unserer Ausbildung zogen wir beide nach Hamburg. Ich wollte für mein Politikstudium mein Abitur nachholen und er wollte eine Schulische Ausbildung als Mediengestalter machen. Und so sollte es sein.

Bjarne hat sich immer meine verworrenen Gedanken angehört, oder eher durchgelesen, weil wir wohl mehr miteinander gechattet als geredet haben. Gerade über so heikle Themen wie Liebe. Bjarne war nie ein Menschenfreund, aber in einem Thema war er immer "Emotional reifer". Bei dem Thema Liebe. Er hatte eine ziemlich gesunde Meinung gegenüber liebenden Menschen. Er meinte, solange man einen Menschen hat, der einem beisteht bei schwierigen Zeiten und sich mit ihm freut bei guten Zeiten, ist alles viel erträglicher. Für ihn war es am schlimmsten einsam zu sein. Für mich nicht. Wir waren anfang 20 als wir über diese Themen geschrieben haben.

Ich hatte immer die Auffassung, dass man keinen Menschen auf diese Art und Weise braucht, andererseits war ich der Meinung das kein Mensch eine Insel ist. Ich bin Sozialdemokratin, war es auch schon mit 21 Jahren, aber ich habe diese Ansichten nie vertreten sobald es um das Thema Liebe ging. Bjarne hat mich geliebt, das hat er mir oft gesagt aber ich habe ihn immer wieder weggestoßen und ihn immer wieder zu mir geholt, wenn ich schwach und angreifbar war. Da gab es zum Beispiel diese eine Nacht. Er war 20 und ich war 21 Jahre alt. Nachdem ich mich auf einer Party stark betrunken habe, bin ich zu Bjarne nach Hause spaziert, habe an seinem Fenster geklopft und mich zu ihm ins Bett gelegt. Ich wollte einfach nur Nähe von einem Menschen der mich liebt. Es ist nichts zwischen uns beiden passiert in der Nacht. Er hielt mich einfach nur fest und wir schliefen. Er war immer da für mich. Aber für mich gab es zu der Zeit nur einen Mann den ich haben wollte. Meinen damaligen besten Freund.

Tom war damals mein Held. Der Mensch der mich wohl am meisten geprägt hat. Aber er war schon seit über drei Jahren mit Katharina zusammen und die beiden wohnten auch zusammen. Ich bin schon verliebt in die Freundschaft gegangen. Wir beide waren uns sehr ähnlich. Interessierten uns für Politik, für die selbe Musik und hatten die gleiche Weltsicht. Keiner hat sich verstellt um den anderen zu gefallen. Tom hatte Krebs, als er 18 Jahre alt war. Da kannten wir uns noch nicht so genau, jedenfalls waren wir da noch lange keine Freunde. Sein Aussehen hat sich stark nach der Überwindung der Krankheit verändert. Viele hatten ihn als schönen, schlanken jungen Mann in Erinnerung. Aber er nahm bestimmt 15 Kilo zu und war plötzlich nicht mehr der schöne Tom. Aber wie gesagt, das war vor unserer Freundschaft und ich habe mich in den unattraktiven Tom verliebt. Ich hatte immer das Gefühl dass auch für Tom mehr Gefühle vorhanden waren, wir haben aber nie darüber geredet. Seine Beziehung mit Katharina war ganz anders als die Beziehungen die ich vorher kannte. Sie war wohl die einzig für mich erträgliche Form von Beziehung. Ohne Herzscheiße und Eifersüchteleien. Sie waren mehr wie sehr gute Freunde, die zusammen lebten. Ich muss zugeben, dass ich das auch lange Zeit gehofft habe. Aber je mehr es zwischen den beiden kriselte, desto näher schien Tom sich an Katharina zu drücken. Katharina war beruflich oft unterwegs. Sie arbeitet bei einem Fernsehsender als Mediengestalter in Bild- und Ton. Ein aufregender Beruf, anscheinend. Tom war Student, BWL und noch so einiges... ich habe mich nicht genau damit befasst. Er wahrscheinlich auch nicht. Er wollte genauso wie ich in die Politik. Obwohl ich ihm es nie gesagt habe, dass ich in die Politik will.

Tom war mein absoluter Held. Er setzte den Maßstab für den perfekten Mann. Ich liebte ihn ewig.

Nach meinem Abitur bin ich schließlich nach Berlin gezogen und habe Politikwissenschaften und Japanologie studiert. Warum Japanologie? Ich war besessen von Animes und Mangas seit meinem 7 Lebensjahr. Noch so eine Sache, die ich mit Bjarne gemeinsam hatte. Wir beide teilten die Liebe zu den japanischen Comics. Ich war auch sehr interessiert an der Japanischen Kultur und außerdem habe ich auch eine mentale Lebens-to-do-list, in der steht, einmal fließend Japanisch zu sprechen.
Nach meinem Studium und zwei Jahren Aufenthalt in Japan habe ich mich direkt als Bundestagsabgeordnete der SPD aufstellen lassen und wurde direkt gewählt. Mit 32 Jahren, nach Ausbildung, Abitur, Studium und Japan habe ich mein Traum erreicht und war nun eine erfolgreiche Frau. Ohne Mann. Bjarne ist überall auf der Welt unterwegs und trifft sich mit Programmier-Größen und Tom hat Katharina geheiratet und ist freier Schriftsteller und Vater von zwei Söhnen. Katharina ist inzwischen zur Geschäftsleitung befördert worden und eine erfolgreiche arbeitende Mutter.

Über die ganzen Jahre hat sich nichts an meinen Gefühlen für Tom geändert. Und auch an meinen Nichtgefühlen für Bjarne hat sich nichts geändert. Wir schreiben immer noch miteinander und manchmal besucht er mich in meiner Wohnung in Berlin. Er hat mich immer aufgebaut und hat mich nie im Stich gelassen, obwohl ich ihm nie das geben konnte was er von mir wollte. Ich konnte niemanden DAS geben. Ich denke, ich hätte es auch nicht Tom geben können, wenn ich es ihm gesagt hätte und er Katharina für mich verlassen hätte.

Ich war immer Herr meiner Gefühle und sie sind nie übergebrodelt, ich habe mich niemals richtig verliebt und niemals das Bedürfnis nach jemanden gehabt. Meine zwei großen Brüder haben schon lange eigene Familien und ich bin mittlerweile vierfache Tante. Ich bin Tante Yassi, die nie auf Familienfeiern da ist, weil ich gerade durch meine Tätigkeit als Bundestagsabgeordnete im Fachbereich Außenpolitik ständig unterwegs bin. So wollte ich das immer.

War das vielleicht der falsche Weg? Lügt mich mein Gehirn an, wenn er mir sagt dass ich glücklich bin, weil ich erreicht habe was ich erreichen wollte?

________________________________

So oder so ähnlich wird sich das bestimmt bei mir abspielen wenn ich langsam keinen Weg heraus finde... im Idealfall.

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Kommentare

Zwei Kommentare
  • Das war ja auch ein Blick in die Zukunft, im Idealfall... wenn ich mich nur um meine beruflichen Ziele kümmere und Liebestechnisch "verkümmere", weil mir das was ich erreicht habe anscheinend reicht.

    Und es sollte vor Augen halten, wie sehr und bewusst man einem Menschen verletzen kann.

  • Das ist also anscheinend diese Logik, die man(n) nicht gänzlich nachvollziehen kann: Wenn kein Bedürfnis und auch kein Wille zu mehr bezüglich Beziehung da ist, sehe ich es als mehr als müßig an, sich dann Gedanken darüber zu machen, ob man vielleicht etwas verpasst haben könnte.
    Ja, sicher, könnte schon sein – aber der Zug ist eben abgefahren und Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Allenfalls könnte man daraus lernen und für die Zukunft sich neue Ziele setzen.

    In diesem Sinne: Alles Gute, auch privat!

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