Wenn die kleinen geschuppten Freunde aus dem Meer monatelang in Fässern vor sich hin gären, bis sie schlimmer riechen als der Bodensatz der Bio-Tonne oder süße Vierpföter nicht mehr bellen, weil sie mit ordentlich Chili im Wok landen, kann das nur eines bedeuten: Du bist in Vietnam!
01. December 2011 - 16:47 von SPIESSER-Autor urbanears.
Markus bummelt durch die Weltgeschichte und ist im Land von Onkel Ho gelandet. Onkel Ho, eigentlich Ho Chi Minh, rief 1945 als Führer der Unabhängigkeitsbewegung die Republik Vietnam aus und wurde deren Staatspräsident.
Die Küche im Land von Onkel Ho hat natürlich auch Köstlichkeiten zu bieten, die nicht nur mit geschlossenen Augen und verstopfter Nase zu genießen sind. Dazu gehören vor allen Dingen die traumhaften Baguettes französischer Art, sogenannte bánh mi. Von den einstigen Kolonialherren ins Land gebracht, werden sie bis heute an jeder Straßenecke mit einer schmackhaften Füllung aus Schweinefleisch, Wurst und Salat als Snack to go verkauft.
An vietnamnesichen Tischen gehts hoch
her
Obwohl die vietnamesische Küche in Sachen Fleisch und Gemüse extrem abwechslungsreich ist, kommt bei der Beilage schnell Langeweile auf: Die Reiskocher zwischen Hanoi und Saigon blubbern rund um die Uhr, denn die klebrigen Körner gelten als Hauptbestandteil jeder Mahlzeit.
Bei einem Essen werden die einzelnen Speisen auf separaten Tellern serviert, von denen sich jeder mit Stäbchen etwas herunternimmt, in eine unbekannte Soße tunkt und das Ganze mit besagtem Reis in den Mund schaufelt. Schmatzen und Rülpsen inklusive. In Vietnam versteht man unter der feinen englischen Art eben ein bisschen was anderes. Aber wehe, man nickt dem Tischältesten nicht zu, bevor man losschlingt – dann hat es sich der Besucher richtig verbockt.
Gerolltes, Gekochtes und das Salz der Vietnamesen
Lecker Frühlingsrollen in der chinesischen
Markthalle von Saigon.
In tausend Schälchen und Schüsselchen landet auch allerlei unbekanntes Grünzeug – sieht aus wie Spinat, schmeckt aber nach weniger als nichts. Deswegen benutzen die Vietnamesen nuoc mam, eine aus vergorenen Fischresten hergestellte, salzige Würzsoße. Alles, was die Zunge nicht erkennt, wird einfach darin ertränkt und schon explodieren die Geschmacksknospen. Für weitgereiste Gäste aus der weltgewandten Oberlausitz gibt es natürlich auch die mit Fleisch- oder Garnelenhack gefüllten und gebratenen Frühlingsrollen, die unsere gefrorenen Importröllchen aus dem Supermarkt um Welten schlagen. Und auch die Pflanzenliebhaber kommen voll auf ihre Kosten: Tofu In einer Tomaten-Chili-Soße bringt die sogar Fleischfanatiker ins Schwärmen.
Und dann hat es aufgehört zu bellen
Da sich mein steinernes Herz auch von einem treuen Welpenblick nicht erweichen lässt, habe ich am letzten Abend all meinen Mut zusammengesammelt und es mal richtig krachen lassen: Stücken vom Hund und eine kleine Cola. Ob er noch eben fix in der Nebenstraße gefangen oder extra gezüchtet wurde, will ich im Hinblick auf das Ambiente des „Restaurants“ gar nicht wissen. Der freudig erregte Kellner servierte mir also ein kleines Tellerchen mit etwa 20 kross gebratenen Fleischwürfeln, ein paar nach Schweiß duftenden Salatblätter und vergorene Fischpaste.
Während die anwesende Großmutter einer Freundin gleich zu den Fischresten griff, manövrierte ich ein Brocken Fleisch vom Teller, rekapitulierte kurz mein Leben und schwupps, kaute ich auch schon die nächsten fünf Minuten auf demselben Stück herum. Obwohl das Fleisch scharf angebraten und mit Chili und Ingwer gewürzt wurde, ließ sich der Geschmack von leicht fauligem Mundgeruch nicht verhindern.
Meinen persönlichen Höhepunkt erreichte ich aber erst, nachdem ich auch ein Stückchen mit Fettschwarte genüsslich in den Mund schob: Als mir das warme, flüssige Hundefett die trockene Kehle hinabströmte, fehlte nicht mehr viel und ich hätte nach einem Eimer verlangt. Gott sei Dank stand ja das kleine Döschen mit dem amerikanischen Softdrink neben mir und so spülte ich den Geschmack nach Pedigree & Co. mit der braunen Zuckerflut herunter. Insofern ein Hinweis an alle Abenteuerlustigen: Ein Hund auf dem Teller verspricht weniger Freude als lebend im heimischen Garten.
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Fotos: privat
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