SPIESSER unterwegs

Eine Stadt macht Urlaub

Fliegender Wechsel in Stockholm: die Einheimischen rennen raus, die Touristen strömen rein. Nicole schreibt, wie sie den schwedischen Sommer erlebt.

10. August 2011 - 12:15
von SPIESSER-Autorin Miao.
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Miao Offline
Beigetreten: 26.05.2009

Nicole ist Praktikanin und erkundet auf eigene Faust Stockholm.

Stockholm ist eine Sommerstadt. Herausgeputzte Parks, schmucke Häuser und gemütliche Cafés laden zum Verweilen ein. Nur die Stockholmer selbst kommen nicht zum Sommerfest. Die Massen, die sich im Sommer tagein-tagaus durch die Straßen schlängeln, sind keine Einheimischen, sie sind Touristenströme. Klare Kennzeichen entlarven sie: Fotoapparate, 360°-Blicke und der obligatorische Touristenführer. Aber wo sind denn alle Stockholmer hin?

Pilgerstrom stadtauswärts

Lange suchen musste ich nicht: Die Stockholmer verbringen den Sommer außerhalb der Stadt, meist in ihrer „stuga“, einem roten Sommerhäuschen. Von Juli bis Mitte August läuft das normale Leben in Stockholm deshalb nur auf Sparflamme weiter. Ich bin zwar vorgewarnt worden, dennoch war ich überrascht, als ich plötzlich leere Züge und Straßen vorfand. Ampelsignale kann man da ruhig mal ignorieren, gibt es doch sowieso kaum mehr Verkehr auf den Straßen. Restaurants, Cafés, Blumenläden, Frisöre: Viele Geschäfte schließen in den Sommermonaten aus Personalmangel. Keiner möchte hier auf seinen Urlaub verzichten. Der Hinweis „sommarstängt“ – sommergeschlossen – begleitet mich sechs Wochen lang durch jeden Tag. Die Stockholmer Straßen sind aber nur so lange menschenleer, bis die Touristen die Stadt für sich einnehmen und in Kolonnen durch die Straßen ziehen. Sobald man sich aber auch nur einen Meter fernab der Touristenrouten bewegt, kann man sicher sein, wieder fast niemanden mehr anzutreffen. Ich beneide die schwedischen Schüler, denn die haben ganze zehn Wochen Sommerferien.

Kollektivurlaub

Hier kriegt man erst seit dem 8. August
wieder was zu mapfen.

Die Sommerpause macht nicht mal vor ärztlichen Einrichtungen Halt. Krankenhäuser sind im Sommer chronisch unterbesetzt. Dem Personal wird fast der doppelte Lohn geboten, damit sie im Juli arbeiten gehen – und trotzdem sind die Krankenhäuser meist nur zu zwei Dritteln mit Angestellten versorgt. Scheinbar denken die Schweden, dass die Krankheiten im Sommer auch Urlaub machen. Der kollektive Urlaub betrifft übrigens nicht nur Stockholm, sondern ganz Schweden. Praktisch jeder, dem es möglich ist, macht den Juli über frei. Das erleichtert es, richtig abschalten zu können. Denn wenn jeder Urlaub hat, dann gibt es auch niemandem, dem man Berichte abliefern oder mit dem man in Geschäftsverhandlungen treten muss. Scheinbar tut das der Wirtschaftskraft Schwedens keinen Abbruch, denn das Land im Norden steht auch nach der Finanzkrise noch gut da. Vielleicht, weil die Schweden nach der Erholungsphase mit mehr Elan an die Arbeit zurückkehren? Wer weiß...

Schwedischer Sommer

Den schwedischen Sommer verbringen nur
Touristen in Stockholm.

Ich jedenfalls kann die Schweden gut verstehen. Die meisten sind sehr naturverbunden und wollen den schwedischen Sommer ausgiebig genießen. Außerdem ist der Sommer die Zeit der langen Tage und hellen Nächte, was jeder Schwede zum Sonnetanken nutzt. Das haben sie auch bitternötig, um die dunklen Wintermonate zu überstehen. In Stockholm wird es dann nur noch etwa für fünf Stunden am Tag hell.

Also nicht wundern, wenn ihr im Sommer nach Stockholm reist und das Gefühl habt, mehr Deutsch als Schwedisch zu hören, denn besonders den Deutschen scheint es die schwedische Hauptstadt angetan zu haben. Wenn ihr aber mal richtiges Stockholmer Flair erleben möchtet, dann wählt euch einen anderen Reisemonat. Ich hab gehört, spätestens September pilgern die Schweden wieder aus ihren Sommerresidenzen zurück in die Hauptstadt.

Auslandsblogger gesucht!

Seid auch ihr grad auf Weltenbummlertour? Dann erzählt doch den Nesthockern zu Hause von euren Erlebnissen auf SPIESSER.DE. Infos gibts bei Redakteurin Alexandra.

 

Fotos: privat

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