Was tun, wenn die Spielgruppe sich nicht auf eine Strategie einigen kann und nur noch streitet? Herr Scharschmidt ist seit neun Jahren professioneller Konfliktschlichter. Mit SPIESSER.de sprach er über Streitkultur, Streit im Team und Entscheidungsfindung.
18. October 2007 - 13:59 SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
Bei Gruppenarbeiten wie dem Planspiel Börse hat jeder seine eigenen Ideen und ist davon überzeugt, dass seine Strategie die Beste ist. Wie kommt man am besten auf einen Nenner?
Die einzelnen Teilnehmer müssen sich innerhalb der Gruppe erst mal klar machen, dass jede Idee ihre Berechtigung hat. In jede Idee wurde Zeit gesteckt - deshalb sollte man sich auch die Zeit nehmen, sie anzuhören. Eine gute Möglichkeit ist das Brainstorming. Alle Ideen werden angehört und weiter gesponnen. Meist ist es so, dass aus jeder Idee ein Teil heraus genommen wird und daraus letztendlich die Strategie entsteht. Ganz wichtig ist dabei das Zuhören. Wenn man sich nicht auf die anderen Ideen einlässt und zuhört, kann es nichts werden.
Wenn einer aus dem Team versucht, alles zu bestimmen und die anderen gar nicht mehr zu Wort kommen lässt, wie reagiert man dann auf ihn?
Vielen fällt es gar nicht auf, dass sie anderen immer wieder ins Wort fallen. Wenn das der Fall ist, dann sollte man seinen Teamkollegen darauf ansprechen. Wenn er die ganze Zeit redet und redet, hört am Ende keiner mehr zu. Selbst wenn er super Vorschläge anbringt, werden die nicht mehr registriert. Das wird keiner wollen, also sollte dieser Hinweis schon weiter helfen.
Wenn gar nichts mehr geht oder derjenige bewusst versucht zu bestimmen, muss man halt eine feste Redezeit für alle Mitglieder festlegen. Jeder hat drei Minuten Zeit, um seine Vorschläge vorzustellen, und ist erst wieder dran, wenn alle anderen fertig sind. Um die eigenen Ideen in dieser Zeit nicht zu vergessen, kann man sich ja Notizen machen. Manche reden auch so viel, weil sie denken, dass ihre Ideen nicht verstanden werden. Also sollte man die Regel einführen, dass man erst den letzten genannten Vorschlag wiederholt, bevor man selber anfangen darf. So wird abgesichert, dass die Argumente richtig bei den Partnern ankommen.
Es gibt auch das genaue Gegenteil: Manche Leute verlieren im Laufe der Arbeitszeit die Lust und ihnen ist letztendlich alles egal. Doch ihnen wurden Aufgaben zugeteilt, die sie jetzt schleifen lassen und so den Erfolg der Gruppe gefährden. Wie reagiert man auf so einen Fall?
Man sollte immer erst mal klären, wo der Grund für die Lustlosigkeit liegt: Gibt es eine allgemeine Krise in der Spielgruppe? Geht es anderen vielleicht genauso? Vielleicht sollte man einfach etwas verändern und eine neue Aufgabenverteilung einführen. Es könnte sein, dass derjenige über- oder unterfordert ist. So fehlt die Spannung bei der Arbeit und er ist demotiviert.
Manchmal kann es auch sein, dass er ein neues Hobby gefunden hat und das jetzt erst mal wichtiger ist. Da sollte man auch eine Lösung finden, wie man beides unter einen Hut bekommt. Es kann auch sein, dass er sich nicht mit dem Partner versteht, mit dem er eng zusammen arbeiten muss. Eine neue Aufgabenverteilung ist da oft eine gute Möglichkeit, die meisten der möglichen Gründe aufzuheben. Und mit neuen Aufgaben wird das Spiel gleich wieder spannender.
Apropos nicht verstehen: Was macht man, wenn es privaten Streit zwischen den Teilnehmern gibt - also ein Problem, das gar nichts mit dem Spiel an sich zu tun hat, aber trotzdem die Zusammenarbeit belastet?
Solche Fälle sollte man von Anfang an bedenken und absprechen. Es gibt die Möglichkeit, eine Art Kummerkasten einzuführen. Man bestimmt von vorne herein Personen, an die man sich im Problemfall wenden kann - ob die nun aus der eigenen Gruppe sind oder mit dem Spiel gar nichts zu tun haben.
Es ist wichtig, dass die Atmosphäre stimmt. Es bringt nichts, wenn die persönlichen Probleme die Beurteilung anderer Argumente beeinflusst. Daher sollte dieser Kummerkasten auch möglichst anonym stattfinden, damit niemand als Petze oder so dasteht.
Bringt ein Streit die Gruppe vielleicht auch weiter?
Auf jeden Fall! Ein richtiger Streit bringt viel. Er zeigt die Vielfältigkeit und Ernsthaftigkeit der Ideen. Man erkennt seine eigenen Stärken und Schwächen, aber auch die seiner Mitstreiter.
Ab wann ist ein Streit kontraproduktiv?
Sobald es auf die persönliche Ebene geht, bringt ein Streit nichts mehr. Wenn man nur streitet, um den anderen niederzumachen, zu verletzen oder ihn auszugrenzen.
Und wie findet man am Ende zu einer Entscheidung?
Auf jeden Fall sollte man immer hinter die Positionen gucken und schauen, was die wirklichen Interessen sind. Vielleicht ist man dann gar nicht mehr so weit voneinander entfernt wie man erst denkt.
Mit Mitteln wie Erpressung, Angstverbreitung, Rache oder Überredung kommt man jedenfalls nie weit. Das sind Methoden, die bei einer Entscheidungsfindung keinen Erfolg zeigen.
Dagegen ist es manchmal sinnvoll, einen Handel einzugehen. So macht der eine Teilnehmer ein Eingeständnis, bekommt dann aber ein anderes zurück. Ein Beispiel für das Planspiel Börse wäre vielleicht, dass man die eine Aktie behält, wenn eine andere verkauft wird.
Interview: Cindy Kunath
Foto: aboutpixel.de
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https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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