Mitten durch Felder und Berge ruckelt mein Zug durchs Land. Weizen soweit das Auge reicht. Ich will nach Mittweida. Die Fachhochschule hat eine der renommiertesten Medienfakultäten Deutschlands. Ein frischer Studiengang befindet sich seit einem Jahr in der Testphase. Thema: Games produzieren und Geld damit verdienen.
Mittweida liegt weit ab vom Schuss. Alle Bahnstationen sind verfallen, der Zug hat nur zwei Waggons. Inmitten von Landschaft, Bergen und Tristesse fahre ich in eine der Studentenhochburgen des Ostens: von 15.000 Einwohnern sind fast 6000 Studenten.
Die Kommandozentrale fürs Games studieren
Am Bahnhof angekommen, führt der Weg an ein paar sanierten DDR-Mietskasernen vorbei, dann durch den mittelalterlichen Stadtkern, bis hin zum Sitz der Forschung. Hier begrüßt mich Thomas Schmieder, Projektleiter und Initiator des neuen Studiengangs „Medieninformatik und interaktives Entertainment”, mit einem festen Händdruck. Der Mann wirkt wie ein ewig junggebliebener Student: 31 Jahre alt, schon schwindendes braunes Haar und blitzende Augen. Erst machte er seinen Bachelor, dann den Master. Parallel dazu initiierte er den Games-Studiengang. Thomas lässt sich duzen, spielt Games, wenn er nicht arbeitet, und geht schon mal mit seinen Studenten feiern.
Im Backsteinhaus wird es ein wenig moderner: Mitten im Raum steht ein großer Tisch. An ihm wartet schon eine Studentin auf uns. Die Fliesen erinnern an eine frühere Küche, Kaffee, Tee und ein wenig Essen stehen auf einem Tisch am Rand. Fast schon wohnlich.
Quirlige Brünette statt Stubenhocker-Nerd
Hannah studiert Computerspiele an der
Hochschule Mittweida.
Hannah Paulmann, 19, studiert Games im zweiten Semester. Sie sieht so gar nicht aus, wie man sich einen Computerspielstudenten vorstellt: Lange braune gewellte Haare, schlanke kurvige Figur und ein herzliches Lächeln, das ein wenig scheu wirkt. Ihr Kleid ist dunkelblau und weit geschnitten, passt sich ihren blaßblauen Augen an. Ein wenig verplant schaut sie aus. Quirlig ist das Wort, mit dem sie sich selbst beschreibt.
Ehe ich aber dazu komme ein wenig mit ihr zu plaudern, setzt Thomas schon zu einem begeisterten Geschichtsvortrag über den Studiengang an. Entstanden ist er aus seinem zweiten Projekt, GAMECAST, dessen Aufgabe ist es Software zu entwickeln mit der aus Videospielen heraus Filme gedreht werden können. 2007 begann die Arbeit an GAMECAST und 2010 gings los mit den Planungen für den Studiengang.
Eine vorurteilsbehaftete Branche
Interessiert höre ich zu, bitte ihn dann zu schweigen und wende mich Hannah zu. Schließlich bin ich ihretwegen hier. Sie ist eine von 60 Studenten, die zwischen zwei Spezialisierungsrichtungen im Studiengang in die Games-Industrie entscheiden können. Hannah hat den künstlerischen Ansatz gewählt, in dem es stärker darum geht Geschichten zu erzählen und zu gestalten. Die andere Hälfte der Studenten lernt vor allem die technische Seite kennen, sie programmieren. Mit Begeisterung gibt sie Geschichten ihres Studentenalltags wieder. Egal ob sie gerade eine außergewöhnliche Story eines Spiels zu erzählen hat oder kleine Details der Graphik besonders süß findet – sie hat immer eine spannende Geschichte parat.
Hannah lacht viel und sie weiß um die Vorurteile gegen Games-Studenten: „Wir sind für andere Studenten der Pillepalle-Computer-Nerd-Studiengang, der den ganzen Tag nur World of Warcraft oder Killerspiele spielt.“
Zwischen Häschen und Psychiatrie
Wir wechseln den Raum. Hannah möchte beweisen, wie cool selbstgebaute Spiele sind. Wie in einem schulischen Computerkabinett stehen hier 20 Rechner aufgereiht an denen einige Leute arbeiten.
Hannah und Kommilitone Tim führen mich durch ihr Spiel. Ich sehe einen dunklen Wald in den Bergen, über allem thront eine Psychiatrie, die gespenstisch leuchtet. Jeder Baum sieht realistisch aus, es hoppeln Hasen umher, ein Fluss plätschert irgendwo in den Bäumen. Was mir vorher eher theoretisch erklärt wurde, bekommt jetzt eine Darstellungsform. Ich staune über das mir Gezeigte und bin ganz gefangen in diese andere Welt.
Hannah sieht sich selbst eher in der Managementrolle, hat wenig an dem Projekt mitprogrammiert, aber viel organisiert und stellt jetzt in bester Referatqualität alles vor: „Beim Designen des Waldes habe ich mir echte Bäume zum Vorbild genommen und abgezeichnet.“
Mittweida-Studiengänge funktionieren häufig nach einem sehr praktischen Prinzip. Durch viel Praxisarbeit sollen die Studenten die Möglichkeit bekommen, sich für die verschiedensten Gebiete zu spezialisieren. Sie lernen gleich, wie sie bei späteren Aufgaben im Berufsleben umgehen müssen. „Ganz viel Praxis und Projekte und Wissen“, beschreibt Hannah es. Ebenso sind gar nicht alle 60 Studenten ausschließlich an Games interessiert. Die drei Jahre bieten eine solide Medien- und Informatikausbildung, um beispielsweise später für Werbung oder Filme zu animieren.
Computerspiele sind Kunst
Für Hannah sind Games in erster Linie Kunst, sei es durch Grafik oder besondere Geschichte. Der Kunst sind keine Grenzen gesetzt. Bei Spielen kann es auch mal zu Schießereien kommen, solange es ins Konzept passt. „In Filmen ist das ja auch nicht anders!“ Ihre tiefe Stimme verrät, dass sie diese Argumentation schon sehr oft benutzt hat. „Die Leute haben sich nie damit auseinandergesetzt, was alles hinter Spielen steckt. Wer bei World of Warcraft einen Charakter auswählt, denkt nicht darüber nach, dass irgendwer den ja mal designed haben muss.“ So was kann lange dauern, an dem Waldspiel arbeiten Hannah und Tim schon ein halbes Jahr und bisher ist nur die Welt fertig. Die Handlung dazu folgt noch, ist aber noch nicht vollendet.
So lange lässt sich nur mit Begeisterung für die Sache durchhalten und die schwappt mir in jeder Sekunde entgegen: Begeisterung für Spiele, für Mittweida, für das Leben, für die Möglichkeiten, die sie bekommen. Stolz sind sie auf ihren neuen Studiengang. Sie sehen sich selbst als kleine Avantgarde. Zukunftsängste haben die beiden nicht. Wenn sie mit dem Studium fertig sind, können sie überall in den Markt einsteigen. Thomas beschreibt es so: „Wir schaffen hier keine Leute, die am Ende des Studiums wissen auf welchen Knopf sie bei der Cryengine (Programm das alles Sichtbare in Games erzeugt), drücken müssen, sondern Allrounder, die in vielen Positionen arbeiten können.“
Einzige Voraussetzung zum Studieren ist Begeisterung fürs Zocken. „Bei Spielen gibt es noch so viel zu entdecken, das Medium stößt noch an keine Grenze und entwickelt sich rasend schnell”, erklärt mir Hannah und blickt mich ganz erwartungsvoll an. Der Abschied ist herzlich, fast fühle ich mich zugehörig zu den kreativen Games-Erschaffern.
Seid ihr auch neugierig geworden? Das Projekt GAMECAST, könnt ihr euch auch nochmal genauer auf der Gamescom anschauen. Hier wird ein Messeteam der Hochschule auf euch warten. Zur Gamescom vom 15. bis 19. August geht es dann für die Studenten der Fachhochschule Mittweida auf Reisen nach Köln.
SPIESSER ist übrigens auch da und berichtet. Worüber, seht ihr im Video.
SPIESSER auf der Gamescom
Holm und Michael werden für SPIESSER vom 15. bis 19. August von der gamescom in Köln berichten. Hier ein Rückblick zur gamescom 2011.
Fotos: www.games-studieren.de
Text und Video: Holm Kräusche
gute leistung, prost
Idiotenabitur? Wohl kaum. Um in dieser Branche arbeiten zu können, muss man schon ziemlich gute Leistungen nachweisen. Und die Plätze, die bei so einem Studiengang verfügbar sind, sind so streng limitiert, dass garanitert sehr genau geschaut wird, wer einen solchen erhält.
Ich finde den Artikel bzw. das Interview sehr aufschlussreich und interessant. Btw. ist Holm mal ein echt cooler Name. Auch die Hannah sieht sehr freundlich aus und widerlegt viele Klischees und Vorurteile der Gamerbranche xD
Für mich persönlich wäre so ein Studium aber auch nichts, da mir die Arbeitsplatzchancen auf dem Arbeitsmarkt evtl. zu unsicher wären. Aber ich kenn mich in der Branche auch nicht gut genug aus.
die studieren alle irgendwie rum nur weil sie alle so'n Idiotenabitur haben und ich sitz auf meine alten Tage arbeitslos zu Hause rum. Ich wünsch euch allen viel Spast in der Gamer Welt. Have A Nice Day.