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Der verlorene Sohn

Schon immer schlugen in seiner Brust zwei Herzen, die selten Frieden miteinander hielten. Der große, starke Strahlemann, der immer lächelt obwohl er im Innern kalt und traurig ist, hatte meist die Oberhand über den kleinen dicken Jungen, der sich nur die Liebe seiner Mitmenschen wünscht.

04. April 2012 - 16:43
von SPIESSER-Autorin grünstern.
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grünstern Offline
Beigetreten: 16.12.2010

Schon immer schlugen in seiner Brust zwei Herzen, die selten Frieden miteinander hielten. Der große, starke Strahlemann, der immer lächelt obwohl er im Innern kalt und traurig ist, hatte meist die Oberhand über den kleinen dicken Jungen, der sich nur die Liebe seiner Mitmenschen wünscht.

Die Großmutter ruft an.
Sie will nicht im Krankenhaus bleiben.
Sie ist sauer.
Kein Wunder, sie wird ja gegen ihren Willen festgehalten.
Da gibt es nur ein Problem.
Man darf sie jetzt nicht mehr festhalten.
Und so tobt sie los.
Sie will abgeholt werden. Wer kann es ihr verübeln? Sie kann ja schlecht nach Hause laufen.
Der Vater will es nicht mehr hören.
Er gibt das Telefon weiter an den Sohn.
So geschieht es, dass der Sohn wieder allein im Regen steht.
Mal wieder wurde er vergessen.
Die einzige, die nun seiner gedenkt ist die Großmutter.
Und sie bedenkt ihn gründlich.
Mit Drohungen und Beschimpfungen.
So kommt es schließlich, dass die beiden Herzen die in seiner Brust schlagen aufhören einander zu bekämpfen.
Sie haben ihre Tätigkeiten eingestellt.
Wahrscheinlich brauchen sie eine Pause.
Wer verstünde das nicht, wenn man bedenkt was die beiden im vergangenen Monat durchgemacht haben?
Endlich ist Ruhe.
Sogar die Vögel schweigen einen Augenblick.
Der Sohn macht sich selbst zum Chronisten.
Er erzählt die Geschichte als wäre er ein Fremder weil er sich eben jenes wünscht.

Doch hört ihm jemand zu?
Ein einzelnes Herz öffnet sich einen Spalt breit für ihn.
Wer kann das sein?
Die Antwort scheint wie ein schlechter Scherz.
Es ist eben das Mädchen, dem er alles sagt.
Bis auf das Eine.
Denn er weiß ihre Antwort lautete "Nein".
Und dennoch macht er weiter. Er erzählt von Streit, von Selbstmorddrohungen, von alten Schulden und nicht zuletzt vom Wahnsinn, der seine Familie vergiftet.
Er macht weiter weil er fürchtet von der Leere, die ihn nun umgibt, aufgefressen zu werden.

Was hat er davon?
Nichts.
Er belastet nur ihr Gemüt.
Und obwohl es wahrscheinlich besser für sie wäre Lebewohl zu sagen, tut sie es nicht.
Sie mag ihn schließlich.
Das ist das traurige daran.
Der Junge nimmt eines seiner Lieblingsbücher zur Hand.
Es handelt vom Tod.
Wieso auch nicht?
Auch der Tod ist schließlich ein Bestandteil des Lebens.
Zielsicher schlägt er die Seite auf nach der er sucht.
Da steht es in dicken schwarzen Buchstaben.
Sie heben sich vom übrigen Text hervor.
Ein Markenzeichen des Autors...

Wieder klingelt das Telefon.
"Bitte lass es nicht sie sein."
Er will nicht mehr mit der Großmutter reden.
Doch, weil er ein guter Sohn ist nimmt er ab.
Niemand ist dran.

Erleichterung durchströmt seinen angespannten Körper.
Der Nachbarshund kann sehen wie er wieder auf seinem Stuhl zusammensinkt.
Ihn plagt die Schuld.
Er hat Angst, dass die Großmutter sich etwas antut und er daran schuld sein würde.
Er kann ihr nicht helfen.
Er kann auch seinem Vater nicht helfen.
Das macht ihn schuldig.
Und auch an dem Mädchen, das geblieben ist um ihm zuzuhören macht er sich schuldig.
Warum?
Er nimmt wieder das Buch zur Hand.
Da steht es.
Eine Wahrheit, die offensichtlich ist und die dennoch kaum jemand glaubt:

WAS IST SCHLIMMER ALS EIN JUNGE, DER DICH HASST?
EIN JUNGE, DER DICH LIEBT.

Endlich ist er das Telefon los geworden.
Die Frau, die sein Vater gerufen hatte, um ihm zu helfen, ist weg.
Nun kann er sich wieder dem Schreiben zuwenden.
Der Vater nennt ihn Faulenzer.
Er kann ihn nicht verstehen. Wie auch?
Schließlich sind die beiden verschiedene Menschen.
Gibt es überhaupt jemanden der ihn verstehen kann?

Er zweifelt.
Zweifelt an der Welt, die so schlecht zu ihm ist.
Zweifelt an Gott, der diese schlechte Welt erschaffen haben soll.
Zweifelt an den Menschen, denn sie sind es, die zur Vernunft begabt sind und sie dennoch nicht gebrauchen.
Zweifelt an den Menschen, die er für Freunde hielt, denn sie haben ihn verlassen.
Er zweifelt sogar an sich selbst, denn wer wenn nicht er müsste in der Lage sein ihn zu befreien?
Er tut nun nichts anderes mehr.
Er sitzt da, die Augen vor der Welt an der er zweifelt verschlossen, die Ohren betäubt durch Bachs Kompositionen, und zweifelt.
Zweifelt an allem und dennoch an nichts.

Man sagt zwar: „Ich denke, also bin ich“
Doch sind Zweifel bereits handfeste Gedanken?
Er hat sich selbst in eine Sphäre katapultiert, in der er nicht leben muss.
Dort herrscht Frieden.
Dort ist er sicher.
Frei von Gedanken
Frei von Schuld
Frei vom Leben derer, die er verachtet.
So muss sich ein Gott fühlen.

Doch, dies ist nicht was er sein will.
Die Herzen die einst in seiner Brust schlugen erwachen wieder zu Leben.
Er zieht sich aus dieser Sphäre zurück, denn er weiß, dass kein Mensch ein Gott sein kann.
Götter dürfen nicht leben.
Dies ist was ihn von der Göttlichkeit dieser Sphäre zurück schrecken lässt.
Das Leben.

Auch wenn er es niemals offen zugeben würde: Er liebt das Leben.
Wieso?
Man könnte verstehen, dass er das Leben hasst.
Aber es lieben?
Dafür gibt es keine rationale Begründung.
Keine Formel, die man aufstellen kann.
Kein Gleichungssystem, das man lösen kann.
Denn er ist ein Mensch.
Und als solcher verleugnet auch er die Vernunft.
Er liebt das Leben, weil er weiß, dass er nicht alleine lebt.
Denn sie war da.
Sie hörte ihm zu.
Sie verstand nicht alles was er sagte.
Doch darauf kam es nicht an.
Vieleicht würde es niemals jemanden geben, der ihn verstünde.
Doch auch das war egal.
Er wusste, dass er nicht alleine war.
Darauf kam es schließlich an.
Er würde niemals allein sein solange er daran glaubte, dass er jemanden hat.
Und auch wenn er wusste, dass sie kein Wort von dem was er sagte hören konnte, störte er sich nicht daran.
Er hatte sich entschlossen zu leben.
Er wollte das Leben, das vor ihm lag nicht aufgeben.
Selbst wenn das bedeutete damit leben zu müssen, dass er niemals
bekommen würde was er sich von Herzen wünscht...

(Bitte beachten: Diesen Text habe nicht ich geschrieben, sondern der liebe Luke ^^. Danke, dass ich den Artikel veröffentlichen darf ... )

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Kommentare

111 Kommentare
  • Eigentlich will ich Physik studieren und meine Ruhe haben.

    Und es ist nicht nur um des schreibens Willen geschrieben worden. Es wurde für bestimmte Personen verfasst und für andere Personen explizit nicht.

  • Ich hab den Text im Gespräch mit einer der vorkommenden Personen monologisiert. Aber sie schien nicht wirklich viel verstanden zu haben.
    Andererseits hat mich in letzter Zeit auch niemand weinen sehen

  • Schade! Aber ich verstehe dich. Wenn die Texte aber ähnlich gut geschrieben sind, wovon ich einfach mal ausgehe, hoffe ich, dass du daraus in Zukunft etwas sinnvolles machen kannst.

    Obwohl schreiben, nur des schreiben Willens natürlich auch nicht zu verachten ist und sicherlich auch dem Prozess der Verarbeitung dient.

  • hab ich genau das getan. Grausiges Gefühl der Ungewissheit während diejenige Person den Text gelesen hat. Und dann Verständnis. Es war vllt nicht die beste Idee aller Zeiten, aber ich bereue es kein bisschen.

  • Aber gibst du dann auch den Text Personen, die direkt davon betroffen sind zu lesen?

  • Was ich noch auf Lager hab ist nochmal ne ganze Ecke persönlicher als das. Und ich will im Moment wirklich nicht, dass das noch dazu kommt.
    Ich vertraue besagter Person nämlich nicht so ganz.(Und das beste ist: Sie kann mich darauf nicht ansprechen, weil sie entweder auf mich hört, oder meinen letzten Rest Vertrauen missbraucht.)

  • so etwas in Texten auszudrücken als von jemandem persönlich beim Weinen gesehen zu werden.

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