James ärgerte sich über die unerwünschte Unterbrechung und lief schnell zur Tür. Ungeduldig machte er auf und fand eine Sekunde später eine Waffe zwischen seinen Augen. Ein unbekannter Mann ohne T-Shirt stand vor ihm. James sah aus den Augenwinkeln, dass der Mann von Tattos überseht war. Eine Schlange wand sich schlängelnd seinen linken Unterarm hinab, aus ihrem geöffneten Mund tropfte Blut. Während er die Waffe ruhig auf James gerichtet hielt, lächelte er schmierig und selbstgefällig.
„Guten Abend, James. Tut mir leid, ich habe leider keine Zeit zu plaudern und du würdest mich wahrscheinlich eh nicht herein bitten, oder?“ Einer Eingebung folgend antwortete James nicht und blickte angespannt auf die Waffe in seiner Hand. „Du kennst mich nicht, du hast mich nie gekannt und es wäre mir lieb, wenn du so tun könntest, als hätte unser kleines Gespräch hier in deinem Vorgarten nie stattgefunden. Gib mir einfach das Buch. Als ob wir nicht schon genug zu tun hätten, müssen wir nun auch noch die liegen gelassenen Tagebücher irgendwelcher flüchtenden Gefangenen einsammeln.“ Gefangenen? Er wusste von dem Tagebuch. James war sich sicher, dass er nicht von einem Kochbuch seiner Mutter sprach. Nein, es ging zweifellos um das Tagebuch des Soldaten, dass James im angrenzenden Wald gefunden hatte.
„Ist das etwa ein Colt 1911?“ Bewunderung vortäuschend versuchte James Zeit zu schinden. Verwirrt blickte der Mann auf seine eigene Waffe. „Was weiß denn ich.“, antwortete er. James stutzte. Er hatte keine Ahnung von Waffen und hatte nur die Aufschrift auf der Pistole gelesen. Ohne weitere nachzufragen flüsterte er: „Natürlich, Herr, ich werde das Buch holen gehen.“ Selbstgefällig lies der Mann vor der Tür die Waffe sinken. James rannte die Treppe zu seinem Zimmer hinauf und setzte sich einen Moment aufs Bett. Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren, dachte er. Er nahm den Zettel, das Foto und das Tagebuch, verstaute beides unter seiner Bettdecke. Dann griff er nach einem alten Buch seines Großvaters und lief wieder nach unten.
Misstrauisch beäugte der Mann das Tagebuch und sah dann James an.
„Was steht da?“, fragte er. Voll ins Schwarze. Der Mann konnte weder die Aufschrift seiner Waffe lesen, noch den Titel des Buches erkennen. „Bildung ist das A und O“, würde Omi jetzt sagen und ihrem Enkel James stolz die Schulter tätscheln. „Auf dem Buch steht: Tagebuch eines Soldaten.“, sagte James. Naserümpfend steckte der Mann das Buch in die Tasche, ging langsam die Treppe hinunter und sagte: „Du hast mich nie gesehen. Vergiss einfach, was du gesehen hast, oder ich komme noch einmal wieder.“ James schloss die Tür und lehnte sich schwer atmend dagegen. Glück gehabt.
Er ging nach oben und öffnete nun endlich den Zettel. Darauf stand in krakeliger Handschrift:
„Hilfe! Wer auch immer diesen Zettel in die Hände bekommt, möge mir helfen. Ich bin ein Gefangener des Heerführers Keaton und werde im Osten festgehalten. Ich habe wichtige Informationen, die die Welt vor dem Untergang retten können. Auf Seite 25 des Tagebuches kannst du lesen, wo ich mich befinde. Gott möge uns behüten.“
James lächelte. Endlich passierte mal etwas in seinem Leben. Er nahm sein Handy und wählte die Nummer seines besten Freundes.
„Pete, ich habe Neuigkeiten. Wir beide werden diese Nacht zu Helden. Wir werden einen Gefangenen befreien. Du glaubst gar nicht was heute alles passiert ist. Ich sank tiefer in meinen Sessel, fuhr mir nervös durch das dichte Haar und kaute unruhig auf meiner Unterlippe, während ich das Buch anstarrte, dass vor mir auf dem Tisch lag…“