Es ist Morgen auf der schottischen Insel Eigg. Die Sonne versteckt sich noch hinter einer Felswand, als ich routinemäßig in Gummistiefel schlüpfe, die Wohnwagentür aufschiebe und mich durch den Garten einen kleinen Hang hinauf zum Wasserhahn kämpfe. Eine Hand voll kaltes Wasser ins Gesicht - wach! Während ich gemütlich die Zähne putze, schweift mein Blick: Beete, Hühnerstall, Felder, das Meer. Die Landschaft ist nebelig überzogen. Das ist schön, denke ich, als mein Blick plötzlich erwidert wird - von einer Kuh. Die schaut auch müde drein.
Franziska ist 19. Wenn sie gerade
nicht in Schottland unterwegs ist,
studiert sie in Berlin.
Dass es anders werden würde als der Großstadtalltag in Berlin habe ich geahnt, als ich mich bei der britischen Organisation Wwoof einschrieb. Wwoof steht für "world wide opportunituies on organic farms" und gibt Kontaktdaten von Bauern, Gemüsegärtnern oder einfach weltoffenen Familien heraus, die genügend Arbeit, aber zu wenig Zeit dafür haben. Wer seine Hilfe anbietet, bekommt Unterkunft und Verpflegung gestellt. Als die Semesterferien begannen, war ich - wenn auch reichlich unerfahren in Gartenarbeit - bereit zum Anpacken. Zwar hatte ich alles, was man zum Reisen braucht: Fernweh und Zeit. Aber die Finanzierung stand noch aus. 25 Stunden Arbeit in der Woche für einen Monat Schottland - die Wwoof-Rechnung erschien mir fair.
"Arbeite, wann und wozu du Lust hast"
Zunächst reiste ich nach Inverie, einen kleinen Ort an der schottischen Westküste, der nur mit dem Boot erreichbar ist. Die knapp 100 Menschen dort kommen ohne Fernsehempfang oder Laden aus. Klingt nicht unbedingt nach viel Aufregung, vermutete ich, füllte meinen Rucksack bis obenhin mit Büchern und machte mich auf einsame Tage inmitten verschneiter Berge gefasst.
Doch die Schotten überraschten mich. Bei meiner Ankunft erwartete mich nicht nur ein großer Topf Bio-Gemüse und glückliches, bereits zu Braten verarbeitetes Hühnchen, sondern vor allem Aufgeschlossenheit und Herzlichkeit. Morag, meine künftige Arbeitgeberin, lehrte mich bald die wichtigste Regel für ein Leben auf der Halbinsel: "Arbeite, wann und wozu du Lust hast. Wenn du bis spät in die Nacht gefeiert hast, kannst du tagsüber ausschlafen. Wochenende kennen wir hier nicht." Und man braucht es nicht. Denn Zeit für Tee und Plauderei nimmt man sich in Inverie immer. Das Nachtleben spielt sich im Pub "The old Forge" ab, der sich als Schottlands abgelegenste Kneipe rühmt und in dem viel musiziert wird. Geige, Banjo und Ziehharmonika machen zwar noch keinen Britpop. Aber an Ausgelassenheit mangelt es trotzdem nicht.
Fotos: Die GalerieDer Trend heißt Gummistiefel - nicht Schottenrock
Neben Feiern und Ausschlafen kamen meine Bücher doch noch zum Einsatz. Auch genügend Zeit für Spaziergänge und Fahrrad- oder Bootstouren blieb. War all das erledigt, schlürfte ich in den Garten zur Arbeit. Und selbst die ist nicht schwer, wenn man dabei das Meer rauschen hört und verschneite Berggipfel im Blickwinkel hat. Ich grub Beete um, jätete Unkraut, pflanzte und säte. Wer hätte gedacht, dass ich das kann und sogar Spaß dabei habe! Schnell hatte ich mich an meinen neuen Alltag gewöhnt, und die Gegend sich an mich. Irgendwann grunzte nicht einmal mehr das Schwein, wenn ich mir mit der Schubkarre den Weg vorbei an seinem Gehege bahnte. Und auch auf den regionalen Modetrend sprang ich bald an. Nicht Schottenrock, sondern Gummistiefel heißt das bevorzugte Kleidungsstück in Inverie. Ganze 200 Pfund kann man dafür ausgeben, gestand man mir.
Mein zweites Reiseziel, die winzige Insel Eigg, brachte mehr Ruhe mit sich. Schließlich ist sie hauptsächlich von Schafen und Kühen bevölkert und zählt nur 80 menschliche Einwohner, deren kleine Häuschen über die ganze Insel verstreut sind. Ich lebte bei einer Familie, die mir schon bei der Ankunft einige Regeln, wie festgelegte Arbeitszeiten, auftischte. Mich störte es nicht. Vielmehr genoss ich, jetzt auch ein wenig mit Tieren arbeiten zu können. Und die letzten Bücher auszulesen. Außerdem lernte ich, wie man Brot backt.
Davon profitiere ich heute, zurück in Berlin. Wenn ich morgens aufwache, höre ich nur das Rauschen der Autos auf der Straße und der Blick vom Balkon (auf dem ich Blumen und Kräuter gepflanzt habe!) bietet höchstens ein Meer von Dächern. Dabei kann die Sehnsucht nach Zähneputzen unter der aufgehenden Sonne schon groß werden. Aber warum ausgerechnet in Schottland? Wwoof gibt es schließlich weltweit.
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woraus ein Musikvideo zu meinem Song LIMITS entstanden ist:
https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
Bei meinem letzten Sturz fiel ich in Kunst hinein:
[Bild:1]
Viel Spaß
mxk
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