Kissenschlacht

Alles andere als Kuschelpolitik

„Jugend ohne Gott“, mit Emilia Schüle und Alicia von Rittberg in den Hauptrollen, skizziert eine Gesellschaft, die keinen Raum für Andersdenkende hat. SPIESSER-Autor Daniel unterhielt sich mit den Schauspielerinnen abseits vom runden Tisch über dieses spannende und gesellschaftskritische Thema.

22. September 2017 - 10:05
SPIESSER-Autor Minkho.
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Minkho Offline
Beigetreten: 06.11.2012

Daniel: Beschreibt bitte euren neuen Film „Jugend ohne Gott“.

Alicia: Der Film erzählt von einer Schulklasse, die in ein Camp gehen muss, um in eine Universität aufgenommen zu werden. Da ist jeder auf sich selbst gestellt. Ich will nicht zu viel verraten, aber am Anfang passiert etwas, das aus vier verschiedenen Perspektiven immer mehr aufgelöst wird.

Emilia Schüle
hatte ihr Fernsehdebüt 2006 und ihre erste Kino-Rolle 2008 in „Freche Mädchen“. Seitdem erobert die 24-Jährige die Kinoleinwände und konnte etliche Auszeichnungen absahnen, unter anderem den Deutschen Schauspielerpreis als „Beste Nachwuchsschauspielerin“. Ab 14. September ist Emilia in dem Film „High Society“ zu sehen.
Und welche Rollen übernehmt ihr?

Emilia: Ich spiele Ewa, ein Mädchen, das der Gesellschaft entflohen ist. Auch „Aussätzige“ oder „Asoziale“ genannt, weil sie sich diesem System verweigert. Deswegen habe ich als Ewa auch keinen Stellenwert in dieser Gesellschaft und lebe im Wald, der sich zufällig neben diesem Camp befindet.

Alicia: Ich befinde mich in dem Camp und spiele eine Schülerin, die sehr quirlig und leistungsbesessen ist und sich anfangs in den Hauptdarsteller Zach verliebt.

Der Lehrer spielt auch eine ganz wichtige Rolle. Er versucht stets wertegerecht zu handeln, verstrickt sich jedoch ganz schön in dem, was da passiert. Welche Werte sind für euch unerlässlich?

Emilia: Akzeptanz. Ich finde es ganz schwierig, wenn man zwanghaft verändert wird von anderen, man wird auch nicht glücklich werden im Leben, wenn man andere verändern möchte. Akzeptanz mit sich selbst und für sein Gegenüber.

Alicia: Ich würde sagen Vertrauen. Sowohl in andere, als auch in sich selbst. Und Dankbarkeit. Mit dem zufrieden zu sein, was man hat, und nicht immer mehr zu wollen.

Der Film spielt in der Zukunft. Da werden die Schüler mit Chips ausgestattet und alles wird digital festgehalten. Technisch gesehen, ist das schon alles möglich. Seht ihr in der Digitalisierung eher eine Gefahr oder Vorteile?

Emilia: Es ist eine Hassliebe. Ich würde nicht behaupten, dass ich ohne Technik leben könnte. Auf der anderen Seite ist in den letzten Jahren aber das Bewusstsein dafür auch gewachsen. Zum Beispiel weiß jeder, dass es mittlerweile immer nachvollziehbar sein kann, wo man sich gerade befindet. Es ist die nahe Zukunft, in der der Film spielt.

Alicia: Ich finde, wenn man sich diesen Film ansieht, fühlt es sich nicht so unrealistisch an. Es ist fast schon selbstverständlich: So wird es bald sein. Aber wenn man sich nicht bewusst damit auseinandersetzt, passiert eine Veränderung schleichend ohne dass man es wirklich begreift.

Alicia von Rittberg
ist ebenfalls seit 2006 im Fernsehen zu sehen, 2014 wurde sie in „Herz aus Stahl“ einem internationalen Publikum bekannt. Im selben Jahr gewann sie als „Beste Nachwuchsschauspielerin“ den New Faces Award für ihre Rolle in „Die Hebamme“.
Die im Film gezeigte Gesellschaft ist nach dem Leistungsprinzip ausgerichtet und  Menschlichkeit wird links liegen gelassen – welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen dieser Gesellschaft und unserer?

Emilia: Viele! Wir befinden uns alle in einem System, dem wir uns nicht so einfach entziehen können. Meine Filmfigur Ewa wagt es, lebt aber auch am Existenzminimum.

Alicia: Das Prinzip, alles müsse immer schneller gehen und funktionieren, überschneidet sich jetzt schon sehr mit unserer Gesellschaft. Und ich bin gespannt, ob sich in Zukunft bald Gegenströme entwickeln. Indem man versucht, zu entschleunigen und bewusst wieder dagegen geht. Allein, dass ein Gespräch darüber stattfindet und dass es in den Köpfen der Menschen ist, ist schon eine interessante Entwicklung.

„Jugend ohne Gott“ thematisiert den gesellschaftlichen Wandel und kommt pünktlich zur Bundestagswahl in die Kinos. Was müsste passieren, damit mehr Leute wieder wählen gehen?

Alicia: Politik greifbarer machen. Klar gibt es Menschen, die sich sowieso dafür interessieren und Zeitungen lesen. Aber eben auch die anderen, die vielleicht lieber Filme gucken. Also vielleicht hilft auch dieser Film, das Thema den Menschen näherzubringen.

 

Interview: Daniel Korenev
Fotos: Tony Haupt
Video: Paul Henschel

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