Kissenschlacht

„Du kriegst, was du gibst, wenn du tust, was du liebst“

Nilam Farooq ist witzig, durchdacht und wahnsinnig ambitioniert. Das zeigt sich auch in ihrem persönlichen Leitsatz, der wie eine Hommage an den Positivismus erscheint. In ihrer besonderen Aura spricht die Schauspielerin mit SPIESSER-Autorin Sophie über ihre Träume, Magie, die Leidenschaft und ihre eigenen Unsicherheiten.

09. March 2020 - 10:10
SPIESSER-Autorin sophielorraine.senf.
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sophielorraine.senf Offline
Beigetreten: 07.07.2012

Nilam, gerade bist du als Synchronsprecherin in „Everest – Ein Yeti will hoch hinaus“ zu hören. Everest besitzt im Film Superkräfte. Wenn du wählen könntest, welche magische Kraft hättest du gern?

Weil das alle immer sagen, kommt mir sofort das Fliegen in den Kopf. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger bin ich mir sicher, ob ich das wirklich will. Ich glaube, ich würde gerne in die Köpfe anderer Menschen gucken, um bestimmte Dinge zu verstehen.

Everest begibt sich mit seinen neu gewonnenen Freunden auf eine Reise durch China. Dabei werden viele große Träume wahr. Welcher ist denn bei dir noch offen?

Ich habe einige große Träume. Darunter sind auch ein paar Reisen in Länder, die ich unbedingt sehen möchte, zum Beispiel China und Japan. Interessanterweise glaube ich aber, dass sich große Träume verändern, sobald man älter wird. Irgendwann sind es vermutlich nicht mehr die ausgefallenen Reisen, sondern Gesundheit und Zufriedenheit, die mehr in den Vordergrund rücken.

Nilam Farooq

steht seit 2006 hauptberuflich als Schauspielerin vor der Kamera und erwarb spätestens 2017 Bekanntheit in der Filmindustrie durch ihre Rollen in den Kinoproduktionen „Mein Blinddate mit dem Leben“ (2017), „Sweethearts“ (2019) und „Rate Your Date“ (2019). Für ihre Rolle in „Heilstätten“ (2018) erhielt sie im vergangenen Jahr sogar den Jupiter Award. Ab Oktober 2020 ist Nilam in Sönke Wortmanns neuem Film „Contra“ zu sehen.

Seit 2010 hat Nilam diverse Rollen als Synchronsprecherin übernommen, ihr aktuellstes Projekt „Everest – Ein Yeti will hoch hinaus“ (2018) startete am 6. Februar auf DVD und Blu-ray.
Du synchronisierst die Figur Yi. Sie ist so musikalisch, metaphorisch bringt sie mit ihrem Geigenspiel sogar Blumen zum Erblühen. Glaubst du auch, dass Menschen, die ihrer Leidenschaft folgen, Magisches bewirken können?

Definitiv! Ich bin ein großer Verfechter dieses Gedankens. Es wird oft von Talent und Glück als Komponenten für Erfolg gesprochen. Ich finde aber, man darf die Leidenschaft dabei nie vergessen, weil sie so viel ausmachen kann. Wenn ich Leidenschaft in anderen Menschen sehe, dann mag ich sie gleich tausend Mal mehr als jemanden, den ich fachlich einfach nur kompetent finde. Daher ist Leidenschaft schon die magischste Zutat von allen.

Als Schauspielerin gehst du selbst nicht nur einem Beruf nach, sondern folgst vielmehr einer Leidenschaft …

Oh ja, einer Leidenschaft, die Leiden schafft. (lacht)

Genau. Darauf wollte ich hinaus. Du bist auch immer wieder Bewertungen ausgesetzt. Gibt’s da irgendwas, das dich manchmal unsicher werden lässt?

Es sind vor allem Menschen, die mich verunsichern. Ich habe so viel mit Menschen zu tun: In der Schauspielerei lerne ich viel über Psychologie und in den sozialen Medien besonders über die Kommunikation und das Miteinander. Ich bin online seit einigen Jahren ziemlich aktiv, in denen ich auch schon Shitstorms abbekommen habe. Wie Menschen dabei miteinander umgehen, war für mich manchmal sehr erschreckend. Daher würde ich sagen: Es sind Menschen, die ich noch nicht ganz verstanden habe.

Du hast gerade die Shitstorms angesprochen. Hast du ein Ritual, das dir in solchen extremen Momenten hilft, deine Gelassenheit nicht zu verlieren?

Atmen – ich sage mit Absicht nicht Meditieren. Mir reicht es, kurz durchzuatmen, um die Gedanken nicht so fliegen zu lassen oder mich selbst verrückt zu machen. Zehn Mal ein- und ausatmen ist mein Akut-Ritual.

In deinem aktuellen Film hängt dein Charakter Yi sehr am Wert ihrer Geige. Gibt es denn auch etwas Materielles, auf das du nie verzichten könntest?

Ich bin kein Minimalist, ich mag Dinge. Vereinfacht gesagt finde ich es schon toll, ein schönes Auto, eine Wohnung mit hübschen Möbeln oder coole Klamotten zu haben. Aber das alles ist nur ein Zusatz zu den grundlegenden Dingen. Denn ich weiß auch, dass ich ebenso gut darauf verzichten könnte. Was mir wirklich etwas bedeutet, ist mein Pendel. Das habe ich vor einigen Jahren in Chile gekauft. Es ist nichts wert und kann auch nichts. Aber es erlaubt mir, Dinge auszupendeln und hat damit eine sehr hohe emotionale Bedeutung für mich.

Apropos emotionaler Wert: Nilam, hast du denn einen persönlichen Leitsatz, an den du glaubst?

„Du kriegst, was du gibst, wenn du tust, was du liebst.“ Das ist mein Motto. Es ist so motivierend, weil es ausdrückt, dass man immer weitermachen sollte, auch wenn die Zeit manchmal ein bisschen länger braucht als man selbst.


Nach anfänglichem Zögern und höflicher Rücksichtnahme nahm bei
der Kissenschlacht Nilams Ehrgeiz bald überhand. Kissen wurden
gehortet. Den Abschluss bildete ein sportlicher Handschlag.
Das erinnert an die Tendenzen, die auch im „positive thinking“ aufgegriffen werden. Kannst du damit etwas anfangen?

Vielleicht bin ich da etwas schwierig. Grundsätzlich finde ich die Ansätze sehr logisch und toll, aber wenn ich mir vornehme, sie umzusetzen, fehlen mir Disziplin und Kontinuität. Das beste Beispiel ist mein Versuch, „Morgenseiten“ zu schreiben. Damit ordnen einige Menschen ganz wunderbar ihre Gedanken. Das habe ich zwei Wochen gemacht und dann nicht mehr durchgehalten.

Unser aktuelles Heftthema ist „Sinn und Glaube“, daher drängt sich die Frage förmlich auf: Hast du deine persönliche Antwort auf die Frage nach dem Sinn schon gefunden?

Ich suche noch danach. Ich bin ein sehr verkopfter Mensch, was das angeht. Aber wenn ich die Frage spontan beantworten müsste, glaube ich – ohne Kinder zu haben –, dass für mich persönlich das Kinderkriegen irgendwie der Sinn ist. Darin spiegelt sich letztlich auch gesellschaftliches Miteinander, wenn man das Leben und sich selbst weiterführt.

Wir haben gerade schon über „Sinn“ gesprochen. Ganz abstrakt gedacht – glaubst du denn von dir selbst, einen sechsten Sinn zu haben?

Oh ja! Das habe ich von meiner Mama. Sie besitzt ein ganz intuitives Wissen und damit geht es mir ähnlich. Manchmal fühle ich Dinge, die sich als wahr erweisen, wenn ich ihnen nachgehe, obwohl sie erst mal ziemlich absurd klingen. Das ist mir neulich erst passiert, als ich dachte: Diesem Freund von mir geht es gerade nicht so gut. Als ich ihn angerufen habe, hat er das bestätigt und erzählt, dass sein Bruder gerade nach einem Unfall im Krankenhaus liegt. Ich liege zwar manchmal auch daneben, aber ich möchte eigentlich gerne daran glauben, dass ich einen sechsten Sinn besitze. Ich finde, das ist etwas sehr Schönes.

Text von Sophie Lorraine Senf, 22, glaubt nicht an Gott oder Magie, dafür aber an friedliche Gesellschaften und das Gute im Menschen.

Fotos von Michael Kuchinke-Hofer, freiberuflicher Fotograf, lebt in Berlin, arbeitet überall. Immer bereit, Neues zu entdecken.

Kamera & Schnitt: Paul Henschel

Teaserbild: Paula Hohlfeld

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