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Zwei Kindheiten im geteilten Deutschland

Mit der Teilung Deutschlands 1949 in die demokratische Bundesrepublik Deutschland (West) und die sozialistische Deutsche Demokratische Republik (Ost) waren auch die gesellschaftlichen Bedingungen in den zwei Staaten komplett verschieden. Heute, 25 Jahre nach der Wiedervereinigung, können wir uns das kaum noch vorstellen, aber auch die Kinder und Jugendlichen sind in dieser Zeit ganz unterschiedlich aufgewachsen. Kerstin und Thomas erzählen.

16. October 2015 - 15:45
SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
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Beigetreten: 25.04.2009


Foto: XXXXXX

Kerstin, DDR um das Jahr 1980

„Für Frieden und Sozialismus. Seid bereit!“, ruft meine Klassenlehrerin immer zum Fahnenappell in der Polytechnischen Oberschule in Jüterbog. In dieser Kleinstadt nahe Berlin lebe ich mit meinen Eltern, Geschwister habe ich keine. Zehn Jahre insgesamt muss ich die POS besuchen. Eigentlich habe ich dort eine ganz schöne Zeit. Bis auf das Essen im Hort - immer gibt’s das Gleiche.

Was meine Kindheit auf jeden Fall geprägt hat, war der wöchentliche Pioniernachmittag. Dort haben wir uns immer mit sozialistischen Themen beschäftigt. Bis heute bin ich auch im Deutschen Turn- und Sportbund aktiv. Leichtathletik ist da mein Spezialgebiet. Meine Eltern sind beide berufstätig, weshalb ich in den achtwöchigen Schulferien im Sommer mindestens drei Wochen ins Ferienlager an der Ostsee fahre. Der Betrieb meines Vaters organisiert das Programm. Dort gehört Kegeln auf jeden Fall dazu und vor allem auch die Disko. Ab meinem 16. Geburtstag darf ich dann auch alleine mit Freunden an die See. Endlich!

Gammler, Hippies, Popper: Jede Zeit hat auch ihre Rebellen. Welche das in Zeiten der deutschen Teilung waren, lest ihr hier.

In der achten Klasse habe ich meine Jugendweihe gefeiert. Als Symbol, dass ich jetzt zu den Erwachsenen gehöre, habe ich eine Rose und das Buch „Weltall. Erde. Mensch“ bekommen. Mit den 200 Mark, die ich von meiner Familie geschenkt bekommen habe, habe ich mir meinen ersten Kassettenrekorder gekauft. Endlich konnte ich Musik hören, die mir gefällt - da ist auch viel Westmusik dabei. Die bekomme ich manchmal von Freunden zugesteckt. Die Stones finde ich richtig gut. Aber an die neuesten Sachen kommt man nur schwer ran. Meine Eltern hören viel Jazz. Seit meiner Jugendweihe bin ich auch Mitglied bei der FDJ, Freie Deutsche Jugend. Bei den Treffen müssen wir immer eine blaue Bluse tragen, mit dem FDJ-Symbol aufgenäht: eine aufgehende Sonne. Modetechnisch ist das nicht so mein Fall. Ich trage lieber Jeans oder Mini-Rock, wie sie es in meiner Lieblingszeitschrift,der Sybille, zeigen.

Wenn ich nach der 10. Klasse mit der Schule fertig bin, würde ich gern Abitur machen. Ob ich das darf, weiß ich noch nicht. Aber eigentlich sieht es ganz gut aus. Meine Eltern sind ganz normale Arbeiter und ich habe mir außer dem bisschen Westmusik nichts zu Schulden kommen lassen. Denn so eine Ausbildung in irgendeinem Betrieb wäre gar nichts für mich. Lehrerin könnte ich mir vorstellen.

Thomas, Bundesrepublik Deutschland um das Jahr 1980

Groß geworden bin ich im Berliner Westen, in Charlottenburg. Das kennt ihr sicher alle noch von Christiane F.. Über ihr Leben hat ein Journalist eine Artikelserie im Stern veröffentlicht. Daraus wurde ein Buch, das uns alle berühmt gemacht hat: Wir Kinder vom Bahnhof Zoo.

Wie waren eigentlich die beiden deutschen Staaten?
Wir stellen sie euch hier vor!

Auf Schule hatte ich nie so richtig Bock. Manchmal habe ich geschwänzt und hing dann lieber mit Freunden draußen rum. Die Naturwissenschaften sind aber eigentlich ganz cool. Ich denke gerne daran zurück, wie meine kleine Schwester Sandra und ich in unserem Kinderzimmer auf dem Hochbett saßen und Monopoly oder Mau-Mau spielten. Abends mussten wir um acht Uhr mit der ganzen Familie die Tagesschau gucken. Das habe ich immer gehasst. Vor allem durfte ich zu der Zeit nicht telefonieren. Das Telefon stand eben im Wohnzimmer und alle anderen Familien guckten ja auch die Tagesschau.


Foto: SPIESSER GmbH

Jetzt höre ich richtig viel Musik. Seit ich meinen Ghettoblaster - vom Konfirmationsgeld gekauft - habe, sind meine Nachbarn auch immer live dabei. Jimi Hendrix, Rolling Stones, aber auch Punkiges ist so mein Stil. Zurzeit gibt es diese fürchterlichen Ballonseide-Kinder à la Modern Talking. Oder die Popper, die tragen Karottenjeans - oben breit, unten eng - und dazu Sakkos. Miami Vice lässt grüßen.

Das sind die mit der Tolle, die man immer zur Seite schmeißen muss. Es gibt ja nur Drei-Wetter- Taft und kein Haargel. Punker machen sich da schon mehr Arbeit. Mit Seife und Bier versuchen sie den Irokesen dauerhaft zum Stehen zu bringen. Farblich sind da keine Grenzen gesetzt.

Wie kam es eigentlich zur Wiedervereinigung?

Seit wir in der Clique 16 Jahre sind, schummeln wir uns nachts in die Klubs, um neue Bands zu hören. Wir machen die Nacht zum Tag. Viele Mädels wollen ihre Idole wie David Bowie oder Billy Idol live erleben. Und die internationalen Musiker kommen hierher nach Westberlin, um ihre neuen Alben aufzunehmen.
Wenn ich ehrlich bin, dann freue ich mich aber auch auf die Zeit am Wochenende mit der Familie. Das Highlight ist, wenn meine Mama Pfirsichboden macht. Die Schule mache ich jetzt doch noch zu Ende - heißt Abitur. Was ich werden will, weiß ich aber noch nicht. Wahrscheinlich irgendwas im Handwerk, das bringt gutes Geld!

Das SPIESSER-Spezial entstand in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung. Mehr zur KAS findet ihr hier.

Text: Katharina Fiedler und Kristoffer Fillies
Collage Teaser: Anja Nier

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