Friss das

Dinner for one

Nach dem Abi ist vor der Zukunft, dachte ich einst. Eine Zukunft, die geprägt sei von Selbstständigkeit und dem Ausprobieren neuer Dinge. Tatsächlich probiere ich selbst und ständig Neues aus – von einer Gelinggarantie war jedoch nie die Rede.

12. January 2018 - 13:04
SPIESSER-Autorin John H. Watson.
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John H. Watson Offline
Beigetreten: 13.03.2012

Als ich vor zwei Jahren zum Studieren von zuhause auszog, dachte ich mir, die Freiheit ruft. Mittlerweile weiß ich, ja, die Freiheit rief tatsächlich. Die Freiheit rief mir zu, dass ich mir die Sache nochmal genau überlegen sollte, die Sache mit der Unabhängigkeit und dem Auf-den-eigenen-Beinen-stehen. Allerdings hörte ich damals nicht so genau zu und nun habe ich den Salat. Also streng genommen habe ich nicht mal Salat. Ich habe nur Röstzwiebeln.

Der Gedanke isst mit

Wie der Beginn eines jeden Dramas, lag auch hier der Anfang in einer Idee, einer Idee für das gestrige Abendessen. Käsespätzle sollten es sein. Kurz nach dem Frühstück gegen vierzehn Uhr nistete sich die Vorstellung in meinem Kopf ein. Ich sah sie vor mir, die gelben Teigwaren, die langsam in der Pfanne eine königliche Farbe annahmen. Ich hörte das Brutzeln des Öls, es klang wie eine Hymne, wie eine Hommage an den guten Geschmack. Ich roch den Duft des güld‘nen Käses, dessen samtene Fäden sich als geschmolzenes Glück um die Koryphäe der bayrischen Küche wanden. Ja, der Gedanke an die bescheidene und doch herrliche Mahlzeit zerrte an allen Uhren und ließ ihre Zeiger sich schneller drehen. Das Seminar verging wie im Flug, das Training war nicht so anstrengend wie sonst und dann war es Abend, ich war zuhause und der Kühlschrank war leer.

Low-carb reality

20 Uhr. Prime Time im deutschen Fernsehen und Ladenschluss aller bayerischen Supermärkte. Ich stellte fest, dass ich keine Fertigspätzle mehr hatte und auch kein Mehl, um selbst welche herzustellen (nicht, dass ich das gekonnt hätte). Käse besaß ich auch nicht und schon gar keinen Speck – also zumindest keinen gekauften.

Aber Röstzwiebeln, die waren da. Einsam stand der Becher mit den Industrieröstzwiebeln im Küchenschrank. Genauso einsam sahen sie auf meinem Teller aus. Aber ich aß sie trotzdem – als Suppe, Hauptgericht und Nachtisch und dachte mir, die Freiheit hätte damals, als ich im Begriff war auszuziehen, ruhig etwas lauter rufen können.

Heute im Seminar erzählten der Dozent vorne von Neurotransmitterrezeptoren und eine Kommilitonin hinten von ihrem Frühstück. „Ich wollte Müsli essen, musste aber feststellen, dass ich keine Milch mehr hatte. Was glaubt ihr, was ich also gemacht habe?“, fragte sie und machte eine Kunstpause. Gespanntes Schweigen im Seminarraum, nur unterbrochen von der Erläuterung des Unterschieds zwischen ionotropen und metabotropen Rezeptoren. „Ich habe Müsli mit Wasser gegessen, wirklich. Das war so eklig“. Die anderen Seminarteilnehmer verzogen das Gesicht, ich lachte in mich hinein. Ihre Geschichte müsste sich hinter meiner Käsespätzle ohne Käse und Spätzle anstellen.

Heute Abend werde ich mit ein paar Freunden zusammen kochen. Wir wollen Nudeln mit Tomatensoße machen. Aber ich möchte nicht zu viel erwarten. Wenn ich es mir recht überlege, schmeckt Parmesankäse so auch ganz gut.

 

Text: Jing Wu
Teaserbild: Photo by Katie Smith on Unsplash

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