Im Kinderzimmer war Dr. Dieter Zetsche der Herrscher über Spielzeugautos, heute ist er Vorstandsvorsitzender der Daimler AG – einem der größten Automobilhersteller weltweit. Wie es sich mit dieser Verantwortung leben lässt und warum auch ein Automobilboss ab und an zu Fuß geht – SPIESSER-Autor Lucas hat ihn gefragt.
Herr Dr. Zetsche, bevor wir über Ihre Position als Vorstandsvorsitzender der Daimler AG sprechen, möchte ich gerne die Zeit zurückdrehen: Haben Sie als Kind gerne mit Spielzeugautos gespielt?
Natürlich! Ich erinnere mich da ganz besonders an einen roten LKW. Man konnte die Haube aufklappen, durchs Fenster greifen, das Lenkrad drehen und ihn an einem großen Schlüssel aufziehen. Der hat mich wohl besonders beeindruckt.
Und in welchem Auto haben Sie dann Ihre ersten richtigen Runden gedreht?
Als ich den Führerschein gemacht habe, hatte meine Mutter einen Opel Rekord und mein Vater einen Mercedes – man höre und staune! Insbesondere den Rekord durfte ich oft fahren. Mein erster eigener Wagen war ein gebrauchter, uralter VW Käfer. So wie es sich gehörte.
Sie haben Elektrotechnik studiert? War ein Job in der Autobranche schon damals ihr Ziel?
Ich glaube nicht, dass die Automobilindustrie meine Bestimmung war. Das könnte ich jetzt natürlich rückwärts hineindichten, aber als junger Mensch hatte ich andere Sachen im Kopf. Ich habe mich allerdings immer für Technik interessiert und es gibt da wohl keinen faszinierenderen Bereich als die Autoindustrie. Meine Diplomarbeit wollte ich damals unbedingt in der Industrie schreiben. Als ich dann das Angebot bei Daimler in der Forschung gesehen habe, hat es mich sofort angesprochen.
Tief durchatmen - gleich trifft Lucas auf einen der
wichtigsten Manager Deutschlands.
Sie haben nach Ihrem Abschluss als Diplomingenieur direkt weiter bei der Daimler AG gearbeitet. Was macht Daimler zu einem so tollen Arbeitgeber, dass Sie das Unternehmen nie verlassen haben?
Das war damals sicher nicht mein Lebensplan. Angefangen habe ich in der Forschung und Entwicklung von Daimler. Inzwischen habe ich eine solche Bandbreite an Aufgaben gehabt, wie ich sie auch in fünf verschiedenen Firmen schwer hätte aufreihen können. Ich hatte in den Jahren so unglaublich viele verschiedenartige Möglichkeiten – und das hat natürlich letztendlich dazu geführt, dass ich keinen Grund hatte, dieses Unternehmen jemals zu verlassen.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Ihnen aus?
Es gibt keinen normalen Arbeitstag. Das beginnt schon damit, dass mein Tag mal hier in Stuttgart und mal an einem anderen Punkt dieser Erde beginnt. Es gibt sehr viele verschiedene Gruppen von Menschen, mit denen ich täglich in Kontakt trete: Kunden, Mitarbeiter, Medien und viele mehr. Mir ist dabei wichtig, dass mein Job sehr operativ ist: Ich möchte auch viel selbst gestalten, dazu bin ich oft im Design tätig oder bei Versuchsfahrten.
Wenn man einen so verantwortungsvollen Job wie Sie hat, muss man topfit sein. Wie schaffen Sie das?
Ich versuche mich bewusst und ausreichend zu bewegen. Ich schwimme und wandere gerne und laufe viel im Wald. Ich fahre Rad, Ski und segle. Das tut mir einfach gut. Natürlich ist die Freizeit begrenzt und es besteht die Gefahr, dass man die verbleibende Zeit aufgrund von Faulheit nicht nutzt. Letztlich findet man aber doch immer Lücken. Geistig halten mich meine drei Kinder fit – die sagen mir immer ehrlich, was sie denken.
In vielen Science-Fiction-Filmen fliegen und schweben Autos, beamen sich sogar durch die Welt. Wie sieht denn das Auto der Zukunft aus?
Das Spannende ist, dass Science-Fiction und reale Zukunftsplanung mehr und mehr anfangen zu verschmelzen. Wir sprechen zum Beispiel von einem autonomen Auto. Hier ist es keine Fiktion mehr, wenn wir sehen, dass Autos automatisch einparken oder größere Strecken alleine fahren können. Das sind Perspektiven, die immer noch sehr nach Science-Fiction klingen – die technischen Voraussetzungen haben wir aber.
Daimler AG
Hauptsitz: Stuttgart
Branche: Automobilhersteller
Mitarbeiterzahl: ca. 282.000 weltweit
Gründung: 1886
Umsatz: 117,982 Mrd. Euro (2013)
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Ganz realistisch: Wann müssen wir endgültig auf eine Alternative zum Öl als Kraftstoff für unsere Autos umsteigen und welche Energiequelle der Zukunft ist Ihrer Meinung nach die richtige?
Natürlich ist es auch unsere Aufgabe, den nächstbesseren Antrieb zu finden, der auf Öl verzichtet. Nicht sofort, aber der Umstieg wird stattfinden, bevor der letzte Tropfen Öl verbraucht ist. In Zukunft wird es wahrscheinlich ein Zusammenspiel von verschiedenen Elementen geben: Bei Nutzfahrzeugen wird der Verbrennungsmotor wohl noch lange wichtig sein. Bei den Pkw wird sich vermutlich der Elektromotor durchsetzen, der auch teils über die Brennstoffzelle mit Wasserstoff betrieben werden wird. Wir werden einen relativ langen Zeitraum haben, in dem wir die Übergangsformen sehen werden.
Braucht denn jeder Mensch ein Auto?
Nein. Wir bewegen uns mehr und mehr auf eine Share Economy zu – das betrifft unter anderem die Mobilität. Das sind positive Entwicklungen, die wir nicht abwehren. Im Gegenteil: Wir wollen zum Beispiel mit „Car2Go“ durchaus eine führende und gestaltende Rolle einnehmen. Unsere Aufgabe ist es, Geschäftssysteme zu entwickeln, die mit allen Formen der Mobilität funktionieren.
Die Automobilbranche steht ja in Zeiten des Klimawandels auch stark im Fokus. Was raten Sie Ihren Kindern, wenn es um verantwortungsvollen, umweltbewussten Umgang mit Mobilität geht?
Das fängt damit an, dass man Strecken per Pedes – also zu Fuß – zurücklegen kann. Man kann auch das Fahrrad nehmen. Was ich nicht begrüße, sind ideologische Setzungen: Ein Verkehrsmittel ist gut, ein anderes ist böse. Fakt ist, dass man für den jeweiligen Einsatzfall unterschiedliche Verkehrsmittel sinnvoll einsetzen kann. Wir sind selbst Teil der Verknüpfung von verschiedenen Verkehrsmitteln und fördern diese bewusst – auch als Automobilhersteller.
Text: Lucas Kesselhut Fotos: Jörg Buchmann
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