Ihr für Flüchtlinge

Macht’s
doch einfach selbst!

Geflüchteten helfen, ohne lange um den heißen Brei herumzureden? Warum nicht einfach machen, dachten sich die Jugendlichen der „Jugend für Asyl” in Brandenburg, schnappten sich einen Fußball und legten so den Grundstein für eine gelungenes Flüchtlingsprojekt. SPIESSER-Autor Markus gehört dazu und weiß, wie einfach Helfen sein kann.

31. October 2015 - 10:28
SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
Noch keine Bewertungen
Onlineredaktion Offline
Beigetreten: 25.04.2009

Falkensee, eine Kleinstadt am Rande von Berlin. Viel Grün, große Grundstücke und Kinder, die noch wissen, dass Kühe nicht lila sind. Seit einem halben Jahr mittendrin: 63 geflüchtete Menschen, die überwiegend aus Syrien, dem Iran, Kamerun oder Pakistan stammen. Die Mehrheit nahm die Geflüchteten herzlich auf. Allen voran die Bürgerinitiative „Willkommen in Falkensee“, die mittlerweile mehr als 400 Menschen zu ihrem Unterstützerkreis zählt. Die Ehrenamtlichen organisieren Sprachkurse und helfen beim Ausfüllen von Anträgen – an Betreuung und Fürsorge für die „Newcomer“, wie man sie in Falkensee gerne nennt, mangelt es also nicht.

Fußball verbindet

Der Altersdurchschnitt der Willkommensinitiative ist relativ hoch. Hier trifft man pensionierte Lehrerinnen und Beamte, Rentnerinnen und Familienväter – man kennt sich von Elternabenden oder aus dem Sportverein. Für uns Jugendliche, also für Azubis, Abiturienten und Studenten, war das etwas zu langwierig. Deshalb haben wir uns gefragt: „Warum machen wir nicht einfach, ergänzend zu den Erwachsenen, unser eigenes Ding?”


Kicken verbindet, das weiß auch SPIESSER-Autor Markus.

Die Ausgangssituation hätte nicht besser sein können: Wir waren ein gutes Dutzend junger Leute, kannten die ersten Geflüchteten bereits und hatten Lust, etwas auf die Beine zu stellen. Nach langen Überlegungen entschieden wir uns, mit den Geflüchteten zum Fußballplatz zu gehen. Schließlich hören wir bei jedem Tor von Mesut Özil oder Lukas Podolski von den Politikern und Sportfunktionären, wie gut die Integration durch Sport funktionieren würde. Schon nach dem ersten gemeinsamen Nachmittag stand für uns fest: Fußball verbindet!

„Ein bisschen wie zuhause”

Bei unserem ersten Spiel waren wir noch so wenig, dass jeder Spieler bis zur Erschöpfung rannte. Inzwischen sind wir so viele, dass wir Turniere mit mehreren Mannschaften spielen. Wir mussten sogar nach einem größeren Platz suchen, damit alle mitspielen können. Aber ohne zahlreiche Spenden aus den Fußballvereinen in der Region, wäre unser Fußballtreff nicht möglich gewesen. Bei den ersten Partien mussten einige der Geflüchteten noch barfuß spielen, inzwischen sind alle mit gespendeten Fußballschuhen ausgerüstet. Sogar die ersten Freundschaftsspiele und Turniere haben wir bereits gemeinsam mit den Geflüchteten bestritten – und auch gewonnen!

Das Wichtigste ist für uns, dass die Mannschaften gemischt sind. Deutsche und Geflüchtete, Männer und Frauen bilden gemeinsam ein Team und auch die einzelnen Asylbewerber aus verschiedenen Herkunftsländern spielen zusammen. Beim Sport merken wir auch nicht, wie unterschiedlich die Hintergründe der Spieler sind. Alle wollen Spaß haben und auf dem Feld spricht man eine witzige Mischung aus Deutsch, Englisch, Französisch und Arabisch. Besonders schön für uns ist es, die Freude der Geflüchteten zu sehen, die strahlend zum Sport kommen und Kicken bis zum Umfallen. Als wir dann von einem 19-jährigen Kameruner hörten, dass es hier „ein bisschen wie zuhause” sei, war das sehr bewegend.

Jugend für Asyl
Damit auch andernorts Flüchtlingen unkompliziert das Leben erleichtert wird, freut sich die Jugend für Asyl über Nachahmer ihrer Projekte. Alle Fragen dazu könnt ihr unter www.faccebook.com/jugendfuerasyl loswerden.
Aufklären gegen Vorurteile

Die Resonanz unter anderen Jugendlichen, die wir zufällig beim Sport oder bei Ausflügen mit den Asylbewerbern trafen, war meistens positiv. Oft stießen wir aber auf großes Unwissen: Ob die Treffen mit den Geflüchteten für die jungen Frauen in unserer Initiative nicht gefährlich seien und ob wir keine Angst hätten, dass die Flüchtlinge uns beklauen, wurden wir hin und wieder gefragt. Unsere Reaktion war immer die Gleiche: „Mach bei uns mit und du wirst sehen, dass die Geflüchteten nicht anders sind, als wir“, haben wir erklärt.

Diese Nachfragen haben wir zum Anlass genommen, einen Workshop zu entwickeln, in dem wir aufklären wollen: Warum flüchten diese Menschen? Wie läuft diese Flucht ab? Und wie geht es ihnen hier in Deutschland? Mittlerweile sind wir damit an weiterführenden Schulen und in Vereinen in der Region unterwegs, um interessierte Jugendlichen aufzuklären.  Am Ende bekommen wir von den Teilnehmern tolles Feedback und können unsere positiven Erfahrungen mit den „Newcomern“ weitergeben. So wollen wir Vorurteile abbauen.

Dass das dringend nötig ist, sehen wir an den Geschehnissen in Dresden und Erfurt, aber auch bei uns in der Region bleibt viel zu tun. Letzte Woche hat der zuständige Landkreis beschlossen, fünf weitere Heime in der Gegend einzurichten. Um die Geflüchteten zu integrieren, haben wir schon viele neue Aktionen geplant, die unseren Newcomern ihren ersten Winter in Deutschland so schön wie möglich machen sollen.

Text: Markus K.
Teaser-Foto: privat

Foto: flickr-User marcbiskup, flickr.com, (CC BY-SA 2.0)

Dir gefällt dieser Artikel?

Kommentare

Was meinst du dazu? Schreib' jetzt einen Kommentar!
Mehr zum Thema „Ihr für Flüchtlinge
  • Laura...
    Ihr für Flüchtlinge

    Unterwegs an der Grenze

    Fethullah, Sinah und Jannis sind über die Balkanroute ins griechische Idomeni gefahren, wo tausende Flüchtlinge ausharren. Unterwegs haben sie Spenden verteilt, Filme gedreht und andere Ehrenamtliche unterstützt. SPIESSER-Autorin Laura hat mit dem Trio gesprochen.

  • Little Miss Wonder
    Ihr für Flüchtlinge

    Miteinander füreinander

    Freundschaften knüpfen, Spaß haben, Aktionen planen und damit etwas Gutes tun. Helfen ist alles andere als kompliziert. SPIESSER-Autorin Annika gründete mit Freunden eine UNICEF-Hochschulgruppe und hat schon viel erreicht.

  • MarlonJungjohann
    Ihr für Flüchtlinge

    Schulbank drücken mal anders

    In einem fremden Land zu leben, sich anzupassen und die Sprache zu lernen – dazu benötigt es Fachkräfte und viel Papierarbeit? Nichts da! SPIESSER-Autor Marlon besuchte die Düsseldorfer Bürgerinitiative „HispI – Das Lernhaus“ und fand heraus, wie Freiwillige

  • Hella81
    Ihr für Flüchtlinge

    „Alle haben
    irgendwie Angst“

    Immer wieder ist von „besorgten Bürgern“ die Rede. Aber wovor haben sie eigentlich Angst? Ein loser Zusammenschluss von Illustratoren hat sich ihre Ängste und Vorurteile zur Brust genommen und in ihrem Blog „Bildkorrektur – Bilder gegen Bürgerängste“

  • Oriella
    Ihr für Flüchtlinge

    Flüchtlingshilfe statt Weihnachten

    Seit Monaten bricht der Strom an Flüchtlingen nicht ab. Steigende Kontrollen, begrenzte Kapazitäten und politische Restriktionen machen die Flucht jedoch für viele immer härter. Mitte Dezember ist Sascha als Volunteer nach Griechenland gefahren und unterstützt dort seit dem den

  • kleinesinsekt
    Ihr für Flüchtlinge

    Fremde? Freunde!

    Aus Nachbarn Freunde machen. Das hat sich das Mentorenprogramm „Fremde Freunde“ auf die Fahne geschrieben. Das Projekt vermittelt zwischen Flüchtlingen und engagierten jungen Menschen. SPIESSER-Autorin Carolin hat mit Maike gesprochen, die sich seit April regelmäßig mit Mohamad

  • Jelly
    Ihr für Flüchtlinge

    Hilfe bei Kaffee und Tee

    Seit über zwanzig Jahren gibt es das „Café Exil“ in Hamburg schon. Hier können Migranten und Flüchtlinge Hilfe und Beratung bekommen oder sich einfach bei einem Kaffee aufwärmen. SPIESSER-Autorin Jelena sprach mit den beiden Mitarbeitern Florian und Klaus über

  • whityhumbuk
    Ihr für Flüchtlinge

    Freundschaft geht
    durch den Magen

    Sogenannte „Welcome Dinner“ für Flüchtlinge haben über Schweden und Hamburg schließlich deutschlandweit in den heimischen Wohnküchen Einzug gehalten. SPIESSER-Autorin Anh hat für drei syrische Flüchtlinge nicht nur den Kochlöffel geschwungen, sondern

  • Nadine98
    Ihr für Flüchtlinge

    Flüchtlingskinder als Geschichtenerzähler

    Sprache verbindet. Das weiß auch Anuschka Weyand und hat kurzer Hand das Projekt WorldWideWords ins Leben gerufen. Dabei kann man als Schreibpate gemeinsam mit Flüchtlingskindern Texte für einen Sammelband schreiben. SPIESSER-Autorin Nadine ist von der Idee begeistert und hat sich mit Anuschka unterhalten.

  • Vannivohs
    Ihr für Flüchtlinge

    Helfen im
    „kunterbunten Haus“

    In der Bottroper Notunterkunft ist immer viel zu tun: Neben abwechslungsreichen Aktionen, wollen die ehrenamtlichen Mitarbeitern den Flüchtlingen vor allem ein Lächeln ins Gesicht zaubern und den tristen Alltag verschönern. SPIESSER-Autorin Vanessa engagiert sich selbst vor Ort.

  • sonyerikson
    Ihr für Flüchtlinge

    Mit Rad und Tat

    Der Berliner Verein Rückenwind sammelt Fahrräder, um sie mit und für Flüchtlinge zu reparieren. Nach einem halben Jahr und 102 reparierten Drahteseln, hat SPIESSER-Autor Erik vorbei geschaut und nachgehakt: Wie soll die neue Werkstatt aussehen und was bringt Mobilität den Flüchtlingen?

  • anniejana
    Ihr für Flüchtlinge

    Meine Schule für Flüchtlinge

    Zuhören, sprechen und helfen. Die Schülervertretung eines Gymnasiums in Nordrhein-Westfalen setzt mit Flüchtlingshilfe von Schülern für Schüler ein Zeichen gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. SPIESSER-Autorin Annika berichtet von ihrer eigenen Schule.

  • happy.hippie60
    Ihr für Flüchtlinge

    Wenn Ehrenamt
    zum Hobby wird

    Seit nun mehr vier Wochen gibt es in Dresden eine Zeltstadt als Auffangstation für den nicht enden wollenden Flüchtlingsstrom. Luise arbeitet dort von Anfang an als Ehrenamtliche. Warum und wie die Zustände wirklich sind, darüber hat sie mit SPIESSER-Praktikantin Anne beim morgendlichen Kaffee gesprochen.

  • a.s.
    Ihr für Flüchtlinge

    Ein Hotel für alle

    Ein Haus, in dem Hotelgäste, Flüchtlinge und Künstler zusammenleben? Engagement kann so vielfältig sein. Im Augsburger Grandhotel Cosmopolis wird das gelebt. SPIESSER-Autorin Anita war vor Ort, hat mitgeholfen und war begeistert.