Clubtour 2016
Unzählige Male muss ich auf die Schlummertaste meines Weckers gedrückt habe, als ich feststelle, dass die Band schon in den Startlöchern für die Reise nach Weimar steht und ich womöglich verschlafen habe. Die Sieben sitzen nämlich bereits am Frühstückstisch des Nachbarbäckers, während ich mit gewaltigen Augenringen vor der Theke einen Kaffee bestelle und mich murmelnd bedanke. Das gestrige Konzert hat seine Spuren hinterlassen. Zumindest bei mir. Denn als ich mich dem Tisch nähere, blicke ich in ausgeschlafene und zufriedene Gesichter. „Auf der Tour schlafen einige von uns länger als Zuhause!“, erklärte mir Frontsängerin Yvi schon gestern. Das scheint nun hiermit bestätigt zu sein.
Vom Keller zum Wohnzimmer
Nach einem imposanten Hallenkonzert geht es heute ins kuschelige Wohnzimmer des Weimarer Kasseturms. Einige sehen darin zwar einen Keller, nur sorgt der „vonabunte“ Kuschelrock für einen Wohlfühlfaktor, der dem eines Keller nicht gerecht wird.
Im Hostel sieht es bezüglich des Wohlfühlfaktors schon ein wenig anders aus. Denn irgendetwas scheint nicht zu stimmen. Das empfindet zumindest Background-Sängerin Kathi. „Hier ist eine echt negative Energie zu spüren!“, stellt sie fest. Ob es in diesem Haus spuckt? Eine geeignete Kulisse für einen Gruselblockbuster wäre das Hostel auf jeden Fall.
Ich schaue mich um und bleibe plötzlich vor einem Gemälde stehen, welches eine alten Dame zeigt. Und vielleicht verzerrt auch mein Schlafmangel der letzten Tourtage meine objektive Wahrnehmung, aber die Dame auf dem Gemälde ähnelt stark der Hostelbesitzerin. Was es damit wohl auf sich hat? Es sollte nicht das einzige Mysterium an diesem Tag bleiben.
Ein neues Schmuckstück
Auf dem Weg zur Location kommen wir an einem Schmuckladen vorbei, vor dem Drummer Gabriel plötzlich stehen bleibt. Eine Kette im Schaufenster zieht seinen Blick auf sich und so bittet er die anderen kurz auf ihn zu warten. Einige Minuten später tritt er zufrieden aus dem Laden und hält uns sein neues Schmuckstück entgegen. „Dein Glücksbringer heute Abend?“, frage ich ihn, während er seine neue Kette über seinen Kopf stülpt. Schließlich geht es in einem Tempo weiter, welches ermöglicht, sich der Schönheit der kleinen, thüringeschen Stadt Weimar bewusst zu werden.
Die Tour der Kontraste
Als wir eintreffen, staunt Kathi nicht schlecht. „Die Bühne gestern war ja zehn Mal so groß!“, stellt sie fest. „Man könnte es als „die Tour der Kontraste“ bezeichnen. Gestern vor etwa tausend Menschen, heute ein schönes Wohnzimmerkonzert!“, erkläre ich ihr und versuche ihr den Vorteil darin zu erläutern. Denn je kleiner die Location, desto persönlicher der Gig. Auge in Auge mit dem Publikum. Das kann Laune machen!
Die Band macht sich gerade für den Soundcheck fertig, als der Support für VONA BUNT eintrifft. Disco Rodeo, fünf Jungs aus Erfurt, die das Publikum aufwärmen sollen. Schon oft haben sie im Kasseturm gespielt und haben die Vorteile eines kleinen Clubs bereits erkannt.
Als jedes Instrument, jedes Mikrofon und jeder Monitor gecheckt worden ist, treffen zwei Jungs aus Brasilien ein, die von draußen Musik vernommen haben und ihrer Neugierde gerecht werden wollen. Frontsängerin Yvi lädt beide zum nahenden Konzert ein und die Jungs staunen nicht schlecht, als sie plötzlich anfängt Portugiesisch zu sprechen. Das habe sie nebenbei gelernt, erklärt sie mir, da sie auch in einer Latin Jazz Band spiele und dort auf Portugiesisch singt. „Ich bin sehr begeistert von anderen Sprachen!“, fügt sie noch hinzu.
Als sich das „Wohnzimmer“ allmählich füllt, wird die Bühne freigegeben für die Erfurter Jungs. Und die werden ihrer Rolle als Support mehr als gerecht. Schließlich verlässt Disco Rodeo das Rampenlicht und zurück bleibt ein aufgewärmtes und erwartungsvolles Publikum. Die Gitarre wird in die Hand genommen, der Bass noch einmal nachgestimmt und die in Neonlicht leuchtenden Schuhe von der Steckdose gezogen. Dann hat das Warten wieder ein Ende und Weimar darf als dritte Station der VITA COLA Clubtour 2016 in den Genuss der Stuttgarter Band kommen. Die Instrumente beginnen zu erklingen und auf die kleine aber durchaus feine Bühne tritt Frontsängerin Yvi.
Eine Zugabe ist nicht genug
Das Wohnzimmer-Feeling braucht nicht lange, um beim Publikum anzukommen. Die Größe der Location ermöglicht kleine Gespräche während des Gigs und sorgt für etwas Auflockerung bei der Band. Und die ist sichtlich erfreut über die Stimmung, die das Publikum durch lautes Zurufen zum Besten gibt. Jeder Song lässt mehr und mehr die Nervosität verschwinden und ersetzt diese gleichzeitig durch Spaß, Adrenalin und gute Laune! Als der letzte Song schließlich ertönt, verwandelt sich das Wohnzimmer für wenige Minuten in ein kubanisches Café, als die Sieben Salsa-Elemente erklingen lassen. Dann verlässt Yvi die Bühne, doch das Publikum brüllt lautstark nach Zugaben. Weil die Menge trotzdem nicht ganz frei von jeglicher Scheu ist, tritt Yvi mit ihrer Violine hervor und kommt der Masse entgegen. Nach jeder Zugabe ruft jemand aus den Publikum mit kräftiger Stimme: „Einen noch, bitte!“ und das solange, bis VONA BUNT ihren Song „Bis nach Berlin“ letztlich noch einmal spielen. Und während die Band sich an der Gunst des Publikums erfreut, geben einige Zuhörer noch einmal ihr bestes in Sachen Tanzbein-Schwingen. Ein älterer Herr neben mir setzt gekonnt seine Hüfte ein und haut kräftig in die Hände, als schließlich der letzte Song des Abends ausgeklungen ist.
Der Spuk im Hostel
Die Stimmung und die Atmosphäre des Abends haben die Band und mich vergessen lassen, dass es im Hostel spuken könnte. Knarrende Türen und plötzlich fließende Wasserhähne machen das Übernachten in Weimar zu einem echten Abenteuer. Spätestens als ohne Vorwarnung der Händetrockner anspringt, sind Sophia, Kathi und ich uns sicher: Hier sind unerwünschte Gäste unterwegs – auch Geister genannt. Ob jemand dennoch ein Auge zudrücken konnte, sollte sich am Tag darauf zeigen. Der Schlaf wäre auf jeden Fall von Nöten, denn dann geht es für die Band in die Stadt der SPIESSER. Nach Dresden.
Auf zur VITA COLA Clubtour 2016!
15.10. Dresden – Tante JU, Supportband von HELTER SKELTER (20:00)
16.10. Berlin – Maschinenhaus in der Kulturbrauerei, Supportband von 108 FAHRENHEIT im Trio (20:00)
17.10. Potsdam – Waschhaus, WarmUp! Semesterauftaktsparty (18:00)
Text: Daniel Korenev
Bildmaterial: VONA BUNT