Clubtour 2016
Samstag, halb Zehn in Weimar. Der Schlafmangel macht aus mir weiterhin ein wortkarges Wesen, welches am Frühstückstisch lieber neugierig den Gesprächen lauscht, anstatt selbst das Wort zu ergreifen. In der Hoffnung, dass mir dies keiner verübelt. Der Spuk in unserem Weimarer Geisterhostel sorgte jedenfalls für ordentlich Gesprächsstoff. So schliefen die Mädchen vergangene Nacht mit Licht, um die Hausgeister fernzuhalten. Denn nur so konnten sie vertrieben werden. Gleiches gilt für den Fall, dass man während des Schlafes nur geschützt ist, wenn die Decke den ganzen Körper verhüllt und kein Fuß rausschaut. Versteht ihr?
Abschleppdienst ohne Kosten
Instrumente und Technik liegen noch im Backstage und müssen durch eifrigen Morgensport noch zum Sprinter gebracht werden. Tontechniker Schelle räumt schließlich alles in gewohnter „Tetris-Manier“ ein bis jede noch so kleine Lücke gefüllt ist. Doch scheint es, als würde mit jedem weiteren Tag mehr Gepäck dazukommen.
Ich warte bereits auf die Abreise, als Bassist Julian mich um einen Gefallen bittet. Als er mich fragt, ob ich kurz mit anpacken könne, ahnte ich noch nicht, in was für einer skurrilen Lage ich mich gleich befinden würde. Denn ein kleiner, roter Wagen, der unserem Tourbus die Ausfahrt versperrtt, muss in die richtige Parkposition gehoben werden. Kostenfrei versteht sich.
Bevor es zu „Tante Ju“ nach Dresden geht, wollen die Stuttgarter es sich nicht nehmen lassen, noch einmal einen Fuß in Sachsens größtes Soundhouse zu setzen und sich von neuen Bässen und Gitarren inspirieren zu lassen. Ein vielversprechendes Labyrinth, welches die Band nicht mit leeren Händen verlässt. So besorgt sich Julian einen neuen Funksender für sein Instrument, damit er sich in Zukunft vom lästigen Kabelsalat auf der Bühne verabschieden kann.
Der Landschaftskamerad
Beim Konzert in Dresden schlüpft VONA BUNT in die Rolle des scharfmachenden Supporters. Und das vor einem Publikum der Generation 40+, welches sich nostalgisch in den rockigen Melodien der 60-80er Jahre verirren möchte. Die Nervosität scheint in der Band dementsprechend größer zu sein als bei allen vergangenen Konzerten der VITA COLA Clubtour 2016. Doch noch zu später Stunde sollte Frontsängerin Yvi den ausverkauften Saal mit allen eingefleischten Rockfanatikern von sich überzeugen.
Als schließlich der Headliner die Location erreicht und auf die sieben Jungspunde trifft, kann sich Kathi die Frage an Frontsänger Peter nicht verkneifen, als sie sein Dialekt vernimmt. „Wo kommst du denn her?“ Der witzelt gekonnt mit der Antwort „von dort drüben“ und Kathi staunt nicht schlecht, als sie nun in Dresden einen Landschaftskameraden aus dem Allgäu kennenlernt. „Ein Allgäuer also!“ Die scheinen überall zu sein.
Der Supermarkt-Sprint
Kurz vor Bühnenpräsenz meldet sich erneut der Hunger zu Wort und treibt die Band und mich zu einem Supermarkt, der weiter weg scheint, als zunächst angenommen. Die Zeit sitzt uns im Nacken und wir hetzen durch den Laden wie bei einem Sommerschlussverkauf. Dann heißt es umziehen, schminken und einsingen. Und das innerhalb von zehn Minuten. Schließlich ertönt das obligatorische „Alsooo!“ während VONA BUNT Schulter an Schulter in einem Kreis steht und sich gegenseitig Mut zuspricht. Menschen älterer Generationen haben diesen Ruf schon als Abschied verwendet, erklärt mir Drummer Gabriel, und die durchaus alberne Betonung habe es zum geläufigen Schwur der Sieben werden lassen. Dann geht es mit großen Schritten Richtung Bühne, direkt in die Höhle der Van Halen- und Led Zeppelin-Besessenen.
Das Dresdner Publikum ist dieses Mal mutiger als seine jungen musikalischen Artgenossen, denn anstatt eine Schlucht zwischen der Band und sich selbst entstehen zu lassen, treten sie direkt vor das Geschehen um dem ganzen Bühnenspektakel die Aufmerksamkeit zu schenken. Mit „Weil ich lebe“ geben die Sieben einen Vorgeschmack darauf, was in der nächsten Stunde folgen soll. Dabei nutzen sie die gesamte Bühne, um ihrer Performance den bestmöglichen Raum zu bieten. Während des Gigs gesellen sich Backgroundsängerinnen Kathi und Sophia gelegentlich zu Yvi, und des Öfteren spielen sich Julian und Gitarristin Linda gegenseitig zu. Die letzten Tage haben Spuren hinterlassen, denn das Auftreten von VONA BUNT hat sich merklich verbessert. Und der Spaß ist dabei zum Glück nicht abhanden gekommen.
Komposition im Kopf
Nach einem erfolgreichen Auftritt finden wir uns alle im Backstage wieder und ich stelle Frontsängerin Yvi meine Frage zu den Songtexten der Band, die mir schon seit Tagen auf der Zunge brennt. Diese entstehen nämlich ganz spontan während einer alltäglichen Autofahrt und seien schon gedanklich komplett mit einer passenden Melodie unterlegt, erläutert sie.
Dazu kommt, dass jeder Song einen klaren Bezug zu jedem einzelnen Bandmitglied aufbaue. Yvi ziehe nämlich jegliche Inspiration aus ihrer näheren Umgebung.
Gekonntes Gastspiel
Coverband Helter Skelter spielt währenddessen schon seit einer Stunde Glanzstücke namhafter Rocklegenden aus den 60ern bis 80ern. Schließlich sehe ich, wie Frontsänger Peter während einer kurzen Bühnenpause auf Yvi zugeht und mit ihr spricht. Was folgt ist ein Comeback der Frontsängerin mit ihrer Violine zu dem Song „Dust in the Wind“ von Kansas. Ich lasse mir diese Gelegenheit nicht entgehen, zücke meine Kamera und begebe mich selbst in die Menge. Dann hebt Yvi ihre Violine, legt ihr Kinn auf den dazugehörigen Halter und streicht mit dem Bogen über die Saiten. Der Applaus der daraufhin folgt scheint selbst sie zu überwältigen. Und Frontsänger Peter zeigt sich erkenntlich mit einem groß aufgezogenen Lächeln. Auch die Band ist überrascht. Damit hat sie nämlich nicht gerechnet.
Nach dem ganzen Trubel sitzen wir schließlich noch gemeinsam vor der Location und Background-Sängerin Kathi stellt ernüchternd fest, dass schon in zwei Tagen die Tour ihr Ende finden wird. „Ich genieße so sehr die Zeit mit euch!“, spricht sie in die Runde.
Ja, die letzten zwei Tage brechen an. Ab morgen heißt es dann schließlich: Endspurt der VITA COLA Clubtour 2016 für VONA BUNT.
Auf zur VITA COLA Clubtour 2016!
16.10. Berlin – Maschinenhaus in der Kulturbrauerei, Supportband von 108 FAHRENHEIT im Trio (20:00)
17.10. Potsdam – Waschhaus, WarmUp! Semesterauftaktsparty (18:00)
Text und Fotos: Daniel Korenev