Vor zwanzig Jahren entdeckt Lars seine Liebe zum Eishockey. Ein Freund nimmt ihn mit zu einem Spiel der damals noch als Eissportclub Dresden e.V. auflaufenden Mannschaft. Lars ist sofort begeistert. Die Mannschaft spielt in der Sachsenliga, der fünfthöchsten Spielklasse, und alles ist noch sehr überschaubar. Zunächst ist Lars ein „normaler Fan“, wie er sagt, doch schon bald fängt er an, sich zu vernetzen und gemeinsam mit anderen Fanartikel herzustellen und Auswärtsfahrten zu organisieren. Er bastelt an Fanchoreografien und gehört zu den Aktiven in der Szene, besitzt seit jeher eine Stehplatzkarte. Mit der Zeit professionalisieren sich neben dem Club auch die Fans: Während die Mannschaft den Aufstieg bis in die DEL2, die zweithöchste Spielklasse, schafft, gründen ihre Anhänger 2013 den ersten Fanrat zur besseren Organisation und Koordination der Fanarbeit. Lars ist zunächst einer dieser Fanräte, wird später zum Fanbeauftragten ernannt und bleibt seiner Funktion für Fans und Club treu.
Fansein als Beruf(ung)
Als Fanbeauftragter bringt Lars während der Saison bis zu 20 Wochenstunden für die Eislöwen auf. Das ist nur möglich, weil er als Freiberufler sein eigener Chef ist. Er habe schon ans Aufhören gedacht, aber eigentlich nie richtig, erzählt er: „Am Ende sieht man etwas Greifbares und hat einen Mehrwert für die Fanszene geschaffen. Es geht schließlich darum, unsere Mannschaft zu unterstützen. Das ist ja das, was für einen Fan zählt.“ Natürlich dürfe man auch mal Kritik üben. Sportlich verlief die Saison nicht gerade rosig für die Eislöwen, die Fans hatten mehr erwartet: „Der Tabellen- platz ist für die Qualität der Mannschaft nicht gerechtfertigt, das muss man ganz klar sagen.“ Trotzdem sind die Zuschauerzahlen konstant, die Loyalität ist da. Große Pleiten, wie die 4:11-Niederlage diese Saison beim Lokalrivalen in Crimmitschau „hinterlassen Narben“, sagt Lars und fügt an: „Wir müssen uns als Fans dann immer hinterfragen, ob wir auch alles gegeben haben.“
Lars ist selbstverständlich zu jedem Heimspieltag in der Arena, doch die Spiele kann er selten in voller Länge sehen. Oft ist er damit beschäftigt, Absprachen mit der Geschäftsführung zu treffen oder auch die Nordkurve, den Block der aktivsten Fans, im Blick zu behalten. Dass sein leidenschaftliches Fansein in gewisser Weise zum nüchternen Beruf geworden ist, würde er sofort unterschreiben: „In meinen Anfangsjahren hat sich viel emotional um das Team und die Spiele gedreht. Mittlerweile gibt es zu viel abzuarbeiten, dabei geht die Leidenschaft definitiv verloren. Ich habe aus dem Grund seit 2004 in der tschechischen Extraliga einen Zweitclub gefunden, wo ich wirklich nur als Fan hinfahre“, erzählt der 37-Jährige. Einen Zweitclub? Das klingt ja stark nach einer Affäre! Aber so will Lars das nicht bezeichnen, eher als einen „Ausstieg in eine andere Eishockeywelt“. Die Qualität in der tschechischen Liga sei um einiges höher, ab und an würden da Spieler auf dem Eis stehen, mit denen er sonst am PC zockt.
Bis dass der Tod euch scheidet
Lars ist viel unterwegs, er reist sehr gerne und verbindet das häufig mit Eishockey. Er schaut sich Spiele anderer Vereine und Ligen oder auch der Nationalmannschaft an. Daraus hat sich für ihn eine Art Sportart entwickelt: Lars’ Ziel als soge nannter Groundhopper ist, in möglichst vielen verschiedenen Arenen ein Eishockeyspiel gesehen zu haben. Aktuell steht er bei 399 Stadien in 24 Ländern! Die Dresdner Eislöwen hat er bei seinen Reisen immer im Hinterkopf: Wenn er in fremden Hallen unterwegs ist, hat er ein Auge auf Details und sammelt Impulse für seinen Club.
Die aktuelle Saison ist Lars’ zwanzigste als Fan der Dresdner Eislöwen, rund 15 hat er in verschiedenen Funktionen für den Verein und die Fans verbracht. Als Fanbeauftragter würde er gern irgendwann seine Aufgaben an einen jüngeren Kollegen übertragen, um dann wieder – ganz privat – als Fan mit Trikot in der Eishalle zu sein. Auf meine Frage, ob er irgendwann nicht mehr Fan der Eislöwen sein könnte, überlegt er lange und antwortet: „Als Fan geht man eine gewisse nicht scheidbare Ehe auf Lebenszeit ein. Ich habe einen Abstieg erlebt, wir standen schon kurz vorm wirtschaftlichen Kollaps, aber solange man Licht am Ende des Tunnels sieht, nimmt man sich der Situation an. Als Fan bekommt man mich hier nicht weg.“
Text: Caroline Böhme, 27, sieht beim Eishockey immer erst, wenn alle jubeln, dass der Puck tatsächlich im Tor ist.
Fotos: Daniel Scholz, Fotograf aus Dresden, regelmäßig für SPIESSER unterwegs und auf Instagram zu finden @daniel_fotura
Teaserbild: Paula Hohlfeld