Workshopleiter und Rapper Spax!
Workshop-Leiter Spax betritt den Raum einer Klasse der Berufsbildenden Schule Handel der Region Hannover. Er trägt Nikes, Jeans und ein Starwars T-Shirt. Völlig entspannt stellt sich der Rapper vor die Klasse und beginnt zu erzählen. Thema: Analphabetismus. Aktuell weiß man von 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten hier in Deutschland. Leute also, die nur sehr begrenzte Lese- und Schreibkenntnisse haben und somit in diesem Bereich ungefähr auf dem Stand von Zweitklässlern sind. Davon sind erschreckende 1,5 Millionen junge Erwachsene – zwischen 18 und 29 Jahren jung!
Durch seine lockere Art kommt Spax leicht mit uns 16 bis 22-Jährigen in ein persönliches Gespräch und kann fragen, ob auch wir schon Erfahrungen damit gemacht haben. Die meisten und auch ich nicht. Ein paar der Schüler können von Personen aus ihrem Umfeld erzählen, die echte Probleme mit dem Lesen und Schreiben haben oder hatten.
Aber was hat Analphabetismus mit Rap zu tun? Spax kennt die Antwort: „Rap ist Sprache, Kommunikation und Ausdruck. Ohne Lesen und Schreiben ist es sehr schwer an dieser Kunstform teilzuhaben. Wir wollen verdeutlichen, wo uns die Beherrschung von Schriftsprache begegnet und nützlich ist. Wer von euch greift denn noch regelmäßig zum Buch?“ Hier in der Klasse schauen einige der Jugendlichen lieber Filme, als ein Buch zu lesen. Filme zu gucken sei einfacher und geselliger. In diesem Zusammenhang macht Spax darauf aufmerksam, dass wir einen großen Wortschatz benötigen, um uns anderen mitteilen zu können. „Den bekommt man vor allem durch das Lesen“, betont er und gibt uns gleich noch ein Beispiel, warum ein Buch auch mal schön sein kann: „Oft reicht die Technik nicht aus, um alle Effekte aus dem Buch filmisch umzusetzen. Auch der Inhalt muss meistens vereinfacht und gekürzt werden.“ Ich finde außerdem, dass beim Lesen meine eigene Phantasie die Bilder zur Geschichte malt. Das ist herrlich!
Weiter geht’s im Unterricht, es steht Rap auf dem Stundenplan: „Kausalkette“, „Assoziation“ – was für'n Ding? Auch die meisten der Schüler wussten nichts mit diesen Wörtern anzufangen. Eine Kausalkette ist eine logische Reihenfolge, wie etwa: Der Schwimmer springt ins Wasser, also ist er nass. Unter einer Assoziation wiederum versteht man ein Wort, das man mit einem anderen in Verbindung setzt, wie „Meer“ mit „Sommer“. Diese beiden sprachlichen Mittel machen sich vor allem auch Rapper zu nutze, um den Hörer zwischen den Zeilen lesen zu lassen.
Deshalb versuchen wir uns nun auch daran der Reihe nach solche Ketten zu bilden. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten pfeffern wir die Wörter nur so heraus. Das macht richtig Spaß. Und je länger wir das machen, desto schneller fallen uns Wörter ein. Um noch mehr auf Rap typische Elemente einzugehen, suchen wir jetzt verschiedene Reimarten und Beispiele dafür, die dem Text erst den richtigen Klang verleihen. Ob „Spits“ oder „Double Rhymes“, wir finden nach einigem Grübeln Beispiele wie „So cool, dass dein Umfeld umfällt.“ oder „Steuergelder – Feuermelder“.
Es gibt ganz schön viel zu beachten. Welche Textstruktur legt man an, wie baut man den Song auf. Mit diesem Hintergrundwissen sollen wir jetzt selbst kreativ werden. Wir machen uns eigene Gedanken, entwerfen Textbausteine, sortieren und strukturieren diese und schreiben so unsere ersten Vierzeiler. Am Refrain wird gemeinsam gearbeitet und schließlich auch geprobt und gerappt.
Obendrauf bekamen einige heute die Gelegenheit, ihr neues Wissen praktisch anzuwenden: iCHANCE dreht für den Welt-Alpha-Tag am 8. September ein Musikvideo, in dem einige Freiwillige mitwirken dürfen. Zusammen mit den Rappern Eko Fresh, Laas Unltd., Tice, Simon Grohé, Nazz, Produzent Brisk Fingaz und Sänger/TV-Sternekoch Nelson Müller hat Spax den Song „Schreib dich nicht ab“ geschrieben und aufgenommen. Die Schüler performen mit passender Gestik und lippensynchron zu den eigentlichen Rappern eigene Beiträge für das Musikvideo.
Zwei Dinge haben wir heute gelernt. Rap kann man tatsächlich lernen, allerdings benötigt man auch das nötige Handwerkszeug. Funktionaler Analphabetismus ist ein gesellschaftliches Tabu, dass die Betroffenen von vielen Dingen ausschließt und Probleme im Job, in der Beziehung und vielen anderen Bereichen mit sich bringen kann. Deshalb ist es wichtig, dass wir Anzeichen dafür richtig zu deuten wissen, damit wir helfen können. Denn nicht nur in der Schule, sondern auch im Alltag braucht jeder diese Fähigkeiten. Ob im Straßenverkehr, Supermarkt oder auch, um sich anderen mitzuteilen und somit am demokratischen Leben teilhaben zu können – Lesen und Schreiben sind Voraussetzung dafür.
Text: Anika Hink
Teaserbild: Pascal Busche, iCHANCE
Videos: iCHANCE
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit iCHANCE.