In der Station am Berliner Gleisdreieck findet in diesem Jahr der Tag der Talente statt. Für einen Abend darf auch ich mich unter die Jugendlichen mischen. Nach und nach finden sich die Teilnehmer in der weiß verputzen Halle ein. Manche kommen in hektischem Schritt, andere haben sich in kleinen Gruppen zusammen gefunden und sind ganz in Gespräche vertieft. Sie alle kommen gerade aus zahlreichen Workshops, die sie heute besucht haben und sind von den verschiedenen Eindrücken noch ziemlich geflasht.
Ein wahres Wunderland
Schließlich betritt der Moderator die Bühne und kündigt an, was für den heutigen Abend geplant ist: Neben einer Performance der Tanzgruppe Saltazio aus Hildesheim sollen die einzelnen Workshops vorgestellt werden. Und für alle knurrenden Mägen gibt’s anschließend Buffet. Damit es dort kein Gedränge gibt, haben sich die Veranstalter etwas Witziges einfallen lassen: Auf jedem Platz liegt ein Bingo-Zettel mit sogenannten „Bullshit-Wörtern“ wie beispielsweise „Wetter“. Jedes Mal, wenn eines dieser Wörter genannt wird, darf man es durchstreichen. Wer als erstes eine Reihe, Spalte oder Diagonale auf seinem Zettel gestrichen hat, darf laut „Bullshitbingo“ rufen und sich später als erstes aufs Essen stürzen. So weit, so gut, denke ich mir.
Zunächst aber werden ich und das restliche Publikum von einer außergewöhnlichen Theater-Tanz-Performance in die wunderbare Welt von Alice entführt. Ich bin beeindruckt: Ausgebildete Schauspieler und Tänzer hätten es wohl nicht besser gekonnt als diese neun Jugendlichen. Der bebende Applaus am Ende ihres Auftritts bestätigt mich in meiner Begeisterung.
Alles nur Bullshit?
Begeistert erzählen die jungen Talente von ihrem
abwechslungsreichen Tag.
Jetzt ist es an der Zeit, die Workshops vorzustellen. Immer wieder hallen zwischendurch „Bullshitbingo“-Rufe durch die Halle. Für den einen oder anderen Lacher ist also gesorgt. Auf der Bühne dürfen die Teilnehmer inzwischen berichten, wie ihr heutiger Tage so ablief. Von einem „Wahlkampf Workshop“ ist die Rede, auch
Seminare zu „Zeitgenössischem Tanz“, „Mathematik“, „Poetry Slam“ oder „Hörfunk“ werden vorgestellt. Klingt auf jeden Fall nach einem aufregenden Tag.
Direkt fällt mir auf, wie gewählt und klug sich die Jugendlichen oben auf der Bühne ausdrücken können. Mancher Professor könnte sich da eine ordentliche Scheibe abschneiden. Fasziniert bin ich außerdem von den außergewöhnlichen Arbeiten, die sie mit ihren jungen Jahren bereits veröffentlicht haben und von denen mir einige Teilnehmer im Laufe des Abends erzählen.
Besonders beeindruckt mich Wienke Jensen, die in diesem Jahr ihr Abitur gemacht und für den Europäischen Wettbewerb ein Kinderbuch gezeichnet. Klingt jetzt vielleicht erst einmal nicht außergewöhnlich, aber das Buch setzt sich mit der aktuellen Problematik rund um die Flüchtlingskrise auseinander. „Ich wollte Kindern einfach erklären, was das überhaupt für Menschen sind, die hier zu uns kommen, wie und warum sie zu uns kommen und dadurch Vorurteile abbauen“, erzählt mir Wienke.
Über dreihundert Jugendliche nahmen am diesjährigen Tag der Talente teil.
Die Jugend von heute
Später am Abend komme ich mit einer Teilnehmerin ins Gespräch, die für ihr Projekt sogar die Erde verlassen hat, zumindest im übertragenen Sinne. Patricia Asemann, eine 17-jährige Schülerin, hat gemeinsam mit ihrem Partner über den Einfluss von Gravitation auf Planetenentstehung und Planetensysteme geforscht. Vom Tag der Talente zeigt sie sich begeistert: „Man lernt viele Leute kennen, die sind, wie man selbst und das ist ziemlich cool!“, erzählt mir die Kasslerin mit strahlenden Augen. Mit ihrer Begeisterung ist sie hier auf jeden Fall nicht allein.
Der ausgeprägte Forscher- und Denkergeist unter den Teilnehmern war für mich den ganzen Abend zu spüren. Vielen Jugendlichen kribbelte es förmlich in den Fingern, die Welt zu verstehen und verständlich zu machen. Ein Funke davon ist auch auf mich übergesprungen. Und auch wenn ich selbst wahrscheinlich nie meine Arbeiten auf dem Tag der Talente präsentieren werde, so war es auf jeden Fall interessant zu sehen, wozu wir, die „Jugend von heute“, so im Stande sind.
Text: Carolin Eyert
Fotos: Pressematerial JK Kom