Ein mulmiges Gefühl begleitet mich, als ich an jenem Morgen in die Redaktion gehe. Heute steht der Shopping-Ausflug mit SPIESSER-Schreiberling Paul in die Innenstadt Dresdens an. Ein Festival Outfit für den Sommer soll dabei rauskommen. Das letzte Mal Shoppen ist so lange her, dass ich mich nicht daran erinnere. Vielleicht ist es auch Verdrängung, denn Einkaufszentren stressen mich und so richtig habe ich nie was wirklich Passendes gefunden. Entweder sind die Ärmel zu eng, die Kleider verschnitten oder mein Wadenumfang zu groß, um den Reißverschluss der Winterstiefel komplett zu schließen.
Noch schwieriger macht es mir die Aufgabe bei meiner Outfitwahl „nicht auf Nachhaltigkeit zu achten“. Ich kaufe seit gut drei Jahren fast ausschließlich in Second Hand Shops oder tausche Kleidung mit Freunden. Aber gut, es geht los. Ich gebe Paul den Tipp, erstmal ins „Humana“ zu schauen, da es dort nachhaltig getragene Kleidung für kleines Geld gibt. Ich finde schon im Vorbeigehen einige Schmuckstücke, die ich gerne anprobiert hätte.
Aber nix da, Paul ist dran. Ich begleite ihn mit der Kamera, während er voller Vorfreude in
Klamottenhaufen wühlt und sich epische Krawatten um den Kopf bindet.
Stress statt Shopping
Von da geht es in ein großes Einkaufszentrum im Stadtzentrum. Ich habe es eilig, will so schnell wie möglich wieder hier raus und laufe blind in irgendwelche Läden. Ich habe das Gefühl, Paul wird langsam ungeduldig, weil ich zwar mehrere Sachen in den Händen halte, aber zögerlich bin sie anzuprobieren. Er zeigt auf ein gelbes Oberteil mit Jeansrock und sagt: „Das sieht doch nach Festival aus!“ Ich sehe es mir an und nehme zumindest das Oberteil mit in die Umkleide. Es passt, es sieht schön aus und ich mag den Stoff. Um das Ganze abzukürzen, nehme ich es einfach mit.
An der Kasse haben wir noch eine nette Unterhaltung mit der Ladenbesitzerin. Ehrlich und offen gibt sie zu, dass ihr Lädchen wohl nicht das Vorzeigemodell ist, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Mode sei außerdem ein Mittel zur Selbstexpression. „Man kann damit zeigen, wer man ist“, meint die Ladenbesitzerin. Ich sehe mir mein gelbes Shirt in der Papiertüte an und fühle mich eher schuldig und ungewissenhaft. Wie viele Liter Wasser für die Anpflanzung der Baumwolle für dieses Teil draufgegangen sind? Wie leben die Näherinnen, die es genäht haben? Mir wird etwas schlecht und ich drehe mich zu Paul: „Ich kapituliere. Komm, wir gucken was es für dich noch Schickes gibt!“
Eine ganz andere Welt
Im Schneeregen Ende März geht’s ab durch die bunten Straßen der Dresdner Neustadt, das alternativste Viertel der Stadt mit einer Riesenauswahl an Cafes, Bars und Shops. Kein Einkaufszentrumsstunk, dafür Kälte und Frost im Gesicht – ich fühle mich wieder besser. Wir gehen ins „Unipolar“. Eine ganz andere Welt: Die Ladenfläche ist überschaubarer und freundlich eingerichtet, es riecht nicht nach Chemie in den Klamotten und es strahlt warmes Tageslicht in den Raum. Bei einem Plausch mit dem Ladenbesitzer erfahren wir wie viel Nachhaltigkeit hinter den jeweiligen Produkten wirklich steckt. Ich bin beeindruckt und sehr froh über meine Entscheidung, kein weiteres Geld verschwendet zu haben.
Auf die Länge kommt es an!
Das nicht-nachhaltige Oberteil hat 30 Euro gekostet. Dabei lege ich sonst nicht mal die Hälfte für meine Second Hand Sommer-T-Shirts hin. Im Vergleich zu Oberteilen, die ich sonst kaufen würde, ist es also nicht nur schlechter für Umwelt, Mensch und Gewissen, sondern auch noch echt teuer. Und auch wenn mein Outfit damit nicht komplett ist und ich die Challenge nicht bestanden habe, ich hab genug zu hause! In meinem Schrank finden sich haufenweise Hosen und Röcke, die sich für einen Festivalbesuch wunderbar mit dem sonnengelben Shirt kombinieren lassen. Denn eins ist sicher: Das Ding wird jetzt so lange getragen wie möglich!
Text: Marie Robinski
Fotos: Paul Hilliger
Teaserbild: Lena Schulze