… und Marie muss, nun ja, eben nicht auf Nachhaltigkeit achten. Ich war seit Jahren nicht mehr in Kleidungsgeschäften, sondern bestelle zumeist online oder kaufe mir Shirts direkt auf den Festivals oder Konzerten. Dabei kann man natürlich nicht immer von nachhaltiger Produktion ausgehen, aber immerhin trage ich die Sachen sehr lange. Meine Schuhe trage ich bestimmt schon seit vier, vielleicht fünf Jahren! Dementsprechend betrete ich heute quasi Neuland und bin gespannt, wie weit ich mit dem vorgegebenen Budget von 60 Euro komme.
Second Hand oder Second Choice?
Unsere Tour beginnt bei „Humana“, einem Second Hand-Shop. Wer „Humana“ nicht kennt, sollte wissen, dass alles, was hier über den Ladentisch geht, an die Organisation gespendete Klamotten sind. Mit den Erlösen finanziert „Humana“ anschließend Entwicklungshilfeprojekte. In der Tat gibt es hier eine Riesenauswahl ... für Frauen. Unterschiedliche Kleider, Blusen und Hosen wechseln sich ab mit Schuhregalen und lustig ausgestatten Kleiderpuppen. Marie ist hier zwar in ihrem Element, darf aber aufgrund unserer Challenge nicht zuschlagen. Ich würde es gerne, muss jedoch feststellen, dass es sich als schwierig erweist.
Die Männerabteilung beschränkt sich zumindest in dieser Filiale auf eine kleine Ecke im oberen Teil des Ladens. Ob das nun heißt, dass Männer weniger Kleidung spenden als Frauen oder aber einfach weniger Second Hand kaufen, kann ich nicht sagen. Hier werde ich jedenfalls, abgesehen von einem altem Michael Jackson-Shirt für gerade mal einen Euro, nicht fündig. Festivalmode sieht für mich doch eher anders aus. Immerhin: Ein Back-up- Oberteil habe ich jetzt schon.
Marie ist an der Reihe. Wir gehen in ein großes Shoppingcenter und stehen vor der Qual der Wahl. Wie genau Marie diese Entscheidungskrise überwunden hat, lest ihr dann aber besser bei ihr.
Durch Sturm und Konsum
Nach endlosem Umherwandern in den Tempeln des Konsums machen wir uns dann Richtung alternatives Viertel auf. Schließlich brauche ich zumindest noch eine Hose! Das Ziel ist „Unipolar“ – ein Laden, der damit wirbt, besonders nachhaltig zu sein. Wir reisen einmal quer durch die Stadt, während es anfängt zu regnen. Wie soll man da in sommerliche Festivallaune kommen?!
Endlich angekommen, finden wir uns in einem gemütlich eingerichteten und vor allem sehr leeren Laden wieder. Wir werden sofort vom Personal angesprochen und schildern unser Anliegen. Zunächst erfahren wir, dass wir hier genau an der richtigen Adresse sind: „Unipolar“ hat es sich zur Aufgabe gemacht auf Nachhaltigkeit bei jedem Produktionsschritt zu achten.
Das fängt bei den verwendeten Stoffen an und geht bis hin zu den Transportwegen. Diese sind besonders kurz, denn „Unipolar“ verkauft Kleidung aus Buchenfaser. Ja genau! Buchenfaser! Diese Bäume wachsen ja bekanntlich auch bei uns in Deutschland.
Das will ich ausprobieren und ziehe mir direkt eine Shorts aus besagtem Material an. Klassisch schwarz und mit einem kleinem „E=mc2“ als Detailaufdruck. Natürlich auch alles mit Biofarben, wie mir Verkäufer Jan versichert. Ganz nebenbei sind diese Beinkleider aus Bäumen auch extrem bequem! Ich weiß sofort: Hier werde ich fündig! Preislich kommt es selbstverständlich nicht an die Second Hand Schnäppchen heran, ist aber auch nicht überteuert. Zu der Shorts wähle ich dann noch ein ebenfalls aus Buchenfaser hergestelltes Shirt mit Goethes Farbenlehre als Aufdruck. Freaky und trotzdem cool. Finde ich zumindest. Da ich jetzt schon vier Euro über dem Budget liege, entscheide ich mich, das Outfit so zu belassen. Schuhe und Socken braucht man ja im Sommer sowieso nicht!
Nachhaltige Festivallaune
Ich stelle fest, dass man auch für kleines Geld nachhaltig einkaufen kann. Meistens sogar bessere und gemütlichere Sachen, als es im Shoppingcenter gibt. Als Fazit der heutigen Shoppingtour kann ich sagen, dass ich jetzt nachhaltig Festivallaune bekommen habe und mich darauf freue, meine neuen Klamotten richtig auszuprobieren! Wer weiß? Vielleicht seht ihr ja diesen Sommer auf dem ein oder anderen Festival einen Typen in schwarzen Shorts und Shirt mit Farbenlehre.
Text: Paul Hilliger
Fotos: Marie Robinski
Teaserbild: Lena Schulze