Das Interview mit den beiden Autoren findet passend zum Thema direkt in einem Café neben der alt ehrwürdigen Münchner Ludwig-Maximilians-Universität statt. Matthias Edlinger und Eduard Augustin erkenne ich sofort, nicht zuletzt wegen ihrer auffälligen Vollbärte. An einen erfolgreichen Regisseur und Künstler wie Edlinger und einen Bestsellerautor („Ein Mann, ein Buch“) wie Augustin lassen die beiden mich aber nicht sofort denken. Zu „normal“ sehen sie aus. Vielleicht bin ich durch die ganzen Diskussionen über Hipster und die Digitale Bohème inzwischen aber auch so voller Vorurteile, dass ich glaube, jeder kreative Kopf müsste irgendwie bunt gekleidet oder angemalt herumlaufen. Zum Glück trifft das auf meine Interviewpartner nicht zu und wir können das Gespräch vorurteilsfrei beginnen.
Zu gebrauchen: Die weisen Autoren
Sie machen gemeinsame Sache: Augustin (Jahrgang 1966) ist Regisseur und Produzent aus München, außerdem ist er einer der Autoren des Buches „Ein Mann. Ein Buch“. Edlinger (1972 geboren) stammt ebenfalls aus München und arbeitet als Werbe- und Musikvideoregisseur u.a. für Frittenbude und Stefan Raab. Daneben hat er Kurzgeschichten und zwei Romane veröffentlicht.
Ihr arbeitet an einer Gebrauchsanweisung zum Studieren: Warum? Bisher lief doch auch ohne alles Bestens.
Augustin: Wer mit dem Studium beginnt und keine Ahnung hat, welchen Weg er gehen will, braucht einen Haufen Informationen und hat unzählige Möglichkeiten, sie sich zu besorgen. Wir konnten aber nirgendwo einen Ratgeber finden, der sich selbstbewusst „Gebrauchsanweisung“ nennt – und dem auch wirklich gerecht wird. In dem Titel steckt allerdings auch ein wenig Ironie: Schließlich lässt sich das Studium nicht wie ein DVD-Rekorder erklären.
Edlinger: Unsere Gebrauchsanweisung soll Lust auf ein Studium machen, unterhaltsam zu lesen sein und wie ein Kompass den Weg weisen. Das fehlt bei Studienberatern oder auch Websites von Hochschulen häufig: Sie behaupten zwar, dort alle nötigen Informationen zu bieten – im Endeffekt ist aber alles sehr unübersichtlich. Deshalb versuchen wir die Komplexität auf das Niveau eines Billy-Regals herunterzubrechen. In zehn Kapiteln gibt es die Quintessenz der Gebrauchsanweisung bereits jetzt online, im September erscheint dann das Buch.
Wie kann ich mir eure gemeinsame Arbeit an dem Buch vorstellen?
Edlinger: Es verlangt ein gewisses Maß an „Uneitelkeit“, wenn man zu zweit arbeitet. Ich darf zum Beispiel nicht darauf beharren, dass mein Text unverändert bleibt, nur weil ich ihn unfassbar genial finde. Es steht ganz klar die Nutzbarkeit für den Leser im Vordergrund. So wird einiges, was du selbst als gut erachtest, von deinem Gegenüber wieder verworfen. Und natürlich muss die Chemie zwischen den Autoren stimmen, sonst funktioniert die Arbeit nicht.
Bestseller-Autor Augustin wollte
herausfinden, wie Studieren wirklich geht.
Augustin: Ich habe schon vorher mit jemandem zusammen ein Buch geschrieben – die Methodik ist also einigermaßen erprobt. Die Arbeit an einem Projekt beginnt normalerweise ungefähr ein Jahr vor Erscheinen. Zu zweit oder auch in größeren Gruppen werden lose Pläne gemacht und Themen gesammelt. Kleine Zettel, die an eine große Pinnwand gehängt werden, helfen dabei, die Ideen in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Ist das geschafft, entscheidet sich jeder für ein Thema, fängt an zu recherchieren und zu schreiben. Hinterher wird aber alles wieder hin- und hergeschoben und untereinander diskutiert.
Euer Studium liegt schon eine Weile zurück. Seitdem hat sich einiges verändert. Stichwort Bologna-Reform: Wie denkt ihr über die Neuerungen im Hochschulsystem?
Edlinger: Zu meinem Magisterstudiengang von damals sehe ich immer noch gewisse Parallelen – manche Veranstaltungen heißen einfach nur ein bisschen anders. Im alten System gab es aber deutlich mehr Freiheiten, was den Stundenplan oder die Vorlesungswahl anbelangte. Das hat sich massiv geändert. Ich habe lange gebraucht, um das Bachelorsystem mit seinen Punkten überhaupt zu verstehen. Sogar meine beiden Nichten konnten es mir nicht wirklich erklären. Früher war das einfacher: Die einen Scheine brauchtest du, um zur Abschlussarbeit zugelassen zu werden und die anderen musstest du irgendwann vorher machen.
Wie geht Studieren eigentlich wirklich?
Für die Kampagne „Studieren in Fernost“ suchen die erfahrenen Autoren Eduard Augustin und Matthias Edlinger nach der Antwort auf diese Frage. Die Idee hinter der Kampagne: westdeutsche Schüler zum Studieren im „fernen Osten“ animie- ren. Die Rechercheergebnisse der beiden gibt es vorab in Video- und Text- form auf www.studieren-in-fernost.de anzuschauen. Und: Im September erscheint beim Mosaik-Verlag das Buch „Studieren – eine Gebrauchsanweisung“.
Foto: Alexander Karasek /
studieren-in-fernost.de
War es dann nicht komisch soviel Abstand zum Thema zu haben?
Augustin: Im Nachhinein nicht. Aber als die Anfrage kam, diese Gebrauchsanweisung zu verfassen, haben wir uns beide gefragt, wieso ausgerechnet wir übers Studieren schreiben sollen. Immerhin sind wir über vierzig und unser Studium liegt schon länger zurück. Aber die Wahl war goldrichtig! Wir befinden uns zwar selbst nicht mehr in der Studiums-Situation, sind aber total interessiert an den Studenten. Genau dieser Abstand erleichtert uns die Arbeit sehr. Wir mussten viel recherchieren und haben uns mit vielen Leuten unterhalten, was wirklich spannend war: von der Mensa-Köchin in Magdeburg bis zum Studienberater der Uni Erfurt.
Zur Recherche für euer Buch und im Rahmen der Initiative „Studieren in Fernost“ habt ihr eine Rundreise durch Ostdeutschland gemacht und dort Hochschulen besucht. Viele ostdeutsche Unis und Fachhochschulen werben um Studenten. Welchen Eindruck hattet ihr vom Osten?
Edlinger: Uns hat vor allem die Studienumgebung beeindruckt: Sowohl was die Anbindung und die Betreuung als auch die Räumlichkeiten angeht. Wir saßen teilweise in Hörsälen, die hätten einen Designpreis verdient oder Bibliotheken bei denen wir uns gefragt haben, warum da nicht der neue Bond-Film gedreht wird.
Edlinger besuchte auf seiner
Recherchereise zehn ostdeutsche
Hochschulen.
Gibt es Unterschiede zwischen den Studenten von früher und heute?
Augustin: Ich glaube nicht, dass es da einen wesentlichen Unterschied gibt. Bei mir gab es eine Art Schlüsselerlebnis, als wir an der Bauhaus-Universität Weimar eine Gruppe von politisch engagierten Studenten getroffen haben. Ihr Enthusiasmus hat mich beeindruckt – aber auch an meine damalige politisch aktive Zeit erinnert.
Edlinger: Ich hab schon einen Unterschied bemerkt. Bis zu meinem Abschluss habe ich relativ lange studiert, weil ich Zeit gebraucht habe, um zu wissen, was ich machen will. Außerdem habe ich nebenbei viel gearbeitet. Heute gestaltet sich das Studium viel stringenter und es herrscht mehr Druck: Jeder will sein Studium in fünf Jahren beenden, am besten noch zwei Auslandssemester einschieben und trotzdem schon drei Jahre Praxiserfahrung haben – das geht nicht. Das war zu unserer Zeit noch etwas anders.
Was für einen Rat gebt ihr angehenden Studenten?
Augustin: Bezugnehmend auf meine eigene Uni-Karriere, die nie vollendet wurde: Durchhalten und es mit dem Ziel vor Augen zu Ende bringen! Sonst bereut ihr es im Nachhinein, so wie ich.
Edlinger: Ich finde es wichtig, dass sich Schüler lieber im Vorfeld ein Jahr Zeit nehmen und mit vielen Menschen sprechen, wie zum Beispiel Eltern, Studenten oder Studienberatern, um herauszufinden, was sie studieren möchten. Denn der Studiengang sollte Spaß machen. Natürlich gibt es zwischendurch immer Scheine oder Seminare, die man nicht mag und die auch kein Mensch wirklich braucht. Im Endeffekt sollte aber jeder mit seiner Wahl zufrieden sein und kein Fach nur den Eltern zuliebe studieren.
Videos zu „Studieren - Eine Gebrauchsanweisung”
„Studieren – Eine Gebrauchsanweisung“ von Eduard Augustin und Matthias Edlinger erscheint am 10. September 2012 im Mosaik Verlag. Bereits jetzt erhält man in zehn Videoclips einen Vorgeschmack darauf.
Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit „Studieren in Fernost" entstanden.
Text: Tobias Thieme
Fotos: Said Burg
juli oder so wären besser gewesen. im september hat man doch fast keine zeit mehr das buch vorm studium zu lesen...