Wie Macron die Wahl gewann
66,1 Prozent stimmten am Sonntag für den unabhängigen Kandidaten Macron als neuen Bewohner des Elysee-Palastes. Er trat mit seiner gegründeten Bewegung „En Marche“ (In Bewegung), die nicht zufällig seine Initialen teilt, an. Er setzte sich gegen Marine Le Pen, Kandidaten des rechtsextremen „Front National“ (Nationale Front) durch. Allerdings mit der schlechtesten Wahlbeteiligung seit 48 Jahren (nur 75 Prozent) und mit 11,5 Prozent nicht-gültigen Stimmen. Diese sogenannten „vote blancs“ gelten in Frankreich als klassisches Mittel der Protestwahl. Diesmal wählten viele Franzosen „weiß“, weil kein linker Kandidat in die Stichwahl einzog und Macron nicht unumstritten ist.
Macrons Programm: „ni droit, ni gauche“
Der neue Präsident gilt als linksliberal, war Wirtschaftsminister unter dem vorherigen sozialistischen Präsidenten François Hollande und davor Investment-Banker. Er bezeichnet sich selbst als „ni droit, ni gauche“: weder rechts noch links. Er möchte 120.000 Stellen im öffentlichen Dienst, also Angestellte beim Staat, abbauen. Der Grund: Die Staatsquote, also staatliche Ausgaben im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft, liegt in Frankreich bei 56,7 Prozent und damit 11,4 Prozentpunkte höher als in Deutschland (45,3 Prozent)! Dadurch will er in seiner fünfjährigen Präsidentschaft 60 Milliarden Euro einsparen. Aber er möchte auch 10.000 neue Polizisten einstellen, um Frankreichs Sicherheit zu erhöhen – ein Kernthema der Wahl. Er stand als Einziger klar für die Europäische Union und fordert einen europäischen Haushalt und einen Europa-Finanzminister. Außerdem gilt er als vertrauensvoller Partner Deutschlands.
Emmanuel Macron bei der LeWeb-Konferenz 2014.
Foto: OFFICIAL LEWEB PHOTOS, flickr.com, (CC BY 2.0)
Was die Jugend erwarten kann
Mit einer Investition von insgesamt 15 Milliarden Euro will Macron das Bildungssystem revolutionieren. Dazu zählen kleine Klassen, 4000 neue Lehrer, mehr Weiterbildungsprogramme für Arbeiter und ein kostenloser Kulturpass im Wert von 500 Euro für Jugendliche ab 18 Jahren. Das Schulessen in der Mensa soll zu 50 Prozent bio werden.
Die Schwierigkeiten
Der neue Präsident Macron hat die größte Wahl noch vor sich: die des Parlaments. Denn ohne eine Mehrheit in der Nationalversammlung wird er kaum Programmpunkte umsetzen können. Dazu kommt, dass er keine große Partei im Rücken hat. Seine Bewegung wurde erst vor einem Jahr gegründet. Ob er mit „En Marche“ eine Mehrheit bekommt, ist nicht absehbar. Falls nicht, muss er sich mit wechselnden Mehrheiten aus allen etablierten Parteien, vor allem den Sozialisten und den Republikanern, regieren. Und gerade für die Jugend, die mit 40 Prozent im ersten Wahlgang linkere Kandidaten wählte, ist ein Liberaler ein Dorn im Auge. 25 Prozent der Jugendlichen sind arbeitslos und haben somit allen Grund wütend zu sein. Diese nun zu überzeugen wird eine große Aufgabe Macrons. Auch seine Ideen für eine neue Europäische Union sind fast aussichtslos im Angesicht der beginnenden Brexit-Verhandlungen und den Europaskeptikern unter vielen Mitgliedsstaaten der EU.
Das erhoffen sich die Jugendlichen
Die vor der Wahl befragten Studierenden aus Lyon sind leicht zuversichtlich. „Er ist ein gutes Zeichen für das Ausland. Und er wird die EU verbessern“, meint Marceau (20). Anouk (19) sagt: „Frankreich wird unter ihm wachsen. Er wird engagierter sein als Holland.“ Nur Etienne (21), welcher für den Linksaußen-Kandidaten Jean-Luc Mélonchon votierte, ist etwas besorgter: „Reiche werden unter ihm noch reicher und es wird mehr Schwierigkeiten geben.“ Viele Franzosen haben Angst, dass noch ein enttäuschender Präsident nun endgültig zum Sieg des „Front National“ bei der nächsten Wahl 2022 führen wird. Denn Le Pen hat es immerhin schon geschafft die Stimmen für die Rechtsextremisten in 15 Jahren zu verdoppeln. Ab Sonntag heißt es aber erst einmal offiziell „Monsieur Président » für Emmanuel Macron. Er wird die nächsten fünf Jahre beweisen müssen, wie viel er von seinem Programm umsetzen kann.
Text & Teaserbild: Tom Schmidtgen