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Auf der Spur der Russlanddeutschen

70 Jahre ist es nun her, als die in Russland lebenden Deutschen deportiert, also ausgesiedelt worden. m Anlässlich dessen nahm Otto Engel das Publikum mit auf eine Reise durch das Leben der Deutschen auf russischem Gebiet. Anlässlich zum 70. Jahrestages der Deportation der Deutschen aus Russland veranstaltete. Die thematisch passende Ausstellung „Schicksal in Bildern“ von Günther Himmel war ebenso zu bestaunen. Sein Kollege Leopold Schnell, ebenfalls aus der Ukraine kommend, betont: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann auch keine Zukunft schaffen.“

03. November 2011 - 15:00
von SPIESSER-Autor philhatesyouall.
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philhatesyouall Offline
Beigetreten: 24.07.2009

Seiner Aussage leisten wir mal Folge und begeben uns auf Zeitreise durch die Geschichte der sogenannten Russlanddeutschen. Ende des 17. beziehungsweise Anfang des 18. Jahrhunderts wollte Zar Peter I den russischen Staat moderner machen. „Jedoch fehlte passable Ausbildung der russischen Bürger“, stellt Otto Engel das Problem dar. „Deshalb warb Peter I um deutsche Wissenschaftler, Offiziere, Handwerker und Techniker sowie um Lehrer und Ärzte.“ Die Mehrheit lebte in einem Vorort von Moskau und in Sankt Petersburg. Die planmäßige Ansiedlung Deutscher fand unter der Herrschaft Katharina I statt. Die Auswanderer sollten die bisher unbebauten ländlichen Gebiete im Süden des Landes für Landwirtschaft nutzen. „Sie versprach den ausländischen Siedlern Religionsfreiheit, Befreiung vom Militärdienst, Selbstverwaltung auf ihrer Heimatsprache, eine finanzielle Starthilfe und eine 30-jährige Steuerfreiheit“, erklärt der Diplomingenieur. Wenn man die Situation in Deutschland betrachtet, wird klar, weshalb sich so viele für eine Auswanderung nach Russland entschieden: Die Leute litten unter der schlechten Ernte, dem 7-jährigen Krieg und den napoleonischen Kriegen , bezahlten hohe Steuern, standen oft unter Leibeigenschaft und mussten sich mit den Kirchenreformen herumschlagen. „Auf der Reise, die oft zu Fuß angetreten wurde, gab es eine hohe Sterblichkeitsrate. Der Marsch war so hart, dass teilweise ein Drittel der Auswanderer starben.“ Gut 30.000 größtenteils deutscher Siedler kamen in den Jahren 1764 bis 1767 in Russland an und mussten feststellen, dass die Angebote der Zarin doch nicht ganz ihren Vorstellungen entsprachen. Beispielsweise durften sie nicht mehr in ihren eigentlichen Berufen arbeiten. Stattdessen musste jeder landwirtschaftliche Tätigkeiten ausüben. Vor allem im Wolgagebiet durften sie sich ansiedeln und dort vermehrten sie sich rasch. Auf ihrem Gebiet gab es auch deutsche Schulen, in denen die Muttersprache gesprochen wurde.

„Die erste Wende erlitten die deutschen Siedler im Jahre 1871, wo soeben das Deutsche Reich gegründet wurde“, sagt Otto Engel und erläutert dem Publikum, dass die Privilegien der Deutschen nun abgeschafft wurden. Das war’s mit der Selbstverwaltung, der deutschen Schulen und der Freiheit vor der Wehrpflicht. Während des ersten Weltkrieges herrschte eine antideutsche Stimmung in dem Land, das den „inneren Feind“ einst rekrutiert hat. Auf Befehl des letzten Zaren Nikolaus II wurden sowohl der Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit, als auch deutschsprachige Zeitungen und Bücher verboten. Viele Deutsche wurden aus dem Lande vertrieben. „Auch mein Opa musste Russland verlassen. Er kehrte Jahre später jedoch wieder zurück“, erzählt Engel bedrückt aus dem Leben seiner Ahnen. Ihm wurde nach seiner Rückkehr wie vielen anderen Deutschen der Besitz enteignet.
Nach einer kurzen ruhigen Phase veranlasste Diktator Stalin die Tötung angeblicher deutscher Spione, wobei circa 45 Prozent der deutschen Männer ums Leben kamen. Auch Otto Engels Vater gehörte zu ihnen. „Ich habe ihn nie kennen gelernt. 1990 erhielt ich einen Brief, indem sein Tod mitgeteilt wurde.“

Mit dem Einmarsch in die Sowjetunion gelang es der Wehrmacht, einen kleinen Teil des Russlanddeutschen unter NS-Herrschaft zu bringen. „Im Endeffekt brachte es sehr wenig, da Stalins Rote Armee die besetzen Gebiete schnell zurückerobern konnte.“ Den Russlanddeutschen wurde Kollaboration mit Deutschland vorgeworfen. Familien wurden nun auseinandergerissen und in Viehwagons in die Steppen Kasachstans und andere Regionen gebracht. Einige mussten nun in Arbeitslagern unter unmenschlichen Bedingungen schuften.
„Erst 10 Jahre nach Beendigung des zweiten Weltkrieges sahen die Russlanddeutschen Licht am Ende des Tunnels“, sagt Otto Engel. Nur wenige haben es vorher geschafft, nach Polen und anschließend nach Deutschland, wo sie dann einen Einbürgerungsbrief erhielten, zu flüchten. Die übrigen in Lagern lebenden Russlanddeutschen warteten bis 1955. Von da an durften sie ihren Wohnort abgesehen von den Sondersiedlungen wieder frei wählen. Seit den 1960er Jahren begeben sich die Russlanddeutschen wieder zurück nach Deutschland, der Heimat ihrer Vorfahren.

Wieder in der Gegenwart macht Otto Engel seine Stellung abschließend zu seinem Vortrag deutlich: „Viele Kinder von Russlanddeutschen haben ernsthafte Probleme. Sie sind depressiv und melancholisch. Die Erlebnisse der Eltern und Großeltern haben auch bei ihnen noch ein Trauma gelassen.“ Dieser Gedenktag soll uns heute an die schrecklichen Taten vor 70 Jahren und die Hoffnung, solch etwas nie wieder zuzulassen, erinnern.

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