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Vom Gefühl Pirat zu sein – Teil II

Seit zehn Tagen ist SPIESSER Autor Francesco jetzt bei den Piraten. Auf der Wahlparty der Piraten zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen trifft er alte Bekannte, neue Gesichter und erlebt die ein oder andere Überraschung.

31. May 2012 - 14:05
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Seitdem ich nur noch Club Mate trinke, kann ich nicht mehr schlafen. Umso mehr Zeit habe ich, den Erfolg der Partei zu genießen, der ich seit Neuestem angehöre. Nur wenige Tage nach meinem Eintritt zogen die Piraten mit gut acht Prozent in den Landtag in Schleswig-Holstein ein. Der dritte geenterte Landtag, der vierte könnte heute folgen.

Ich spaziere über die fast schon lächerlich weite Fläche des ehemaligen Flughafens Tempelhof mitten in Berlin. Hier irgendwo findet die Wahlparty der Piratenpartei-Berlin statt. Heute wird in Nordrhein-Westfalen (NRW) gewählt. Die Piraten sind fast sicher drin. Aber NRW ist schon etwas Besonderes, es ist das bevölkerungsreichste Land der Republik, und die Wahlen zum Düsseldorfer Parlament gelten für manchen als Gradmesser für den Bund. Deswegen nennt man die Wahl in NRW auch die „kleine Bundestagswahl“.


Feiern wie ein Pirat
Kleine Bundestagswahl mit großen Erwartungen

Die Piraten sammeln sich in einer offenen Holzhütte am nördlichen Rand des Tempelhofer Feldes. Es wird gegrillt, Nudelsalat steht ausreichend zur Verfügung und wer kein eigenes Bier mitgebracht hat, wird nur fünfzig Meter weiter in einem kleinen Biergarten fündig. Eine Leinwand für die Verkündung des Wahlergebnisses steht auch schon bereit. Zwar ist die Holzhütte noch relativ leer, doch einige Kamerateams sind schon da. Der TV-Sender Phoenix hat ein Team geschickt, um den erwarteten oder erwünschten Freudentaumel einzufangen. Das Programm, das auf der Leinwand läuft, ist zufälliger Weise auch Phoenix.

Nachdem ich einige Zeit mehr oder weniger vor der Hütte rumgelungert habe, ohne wirklich jemanden zu kennen, entdecke ich Ronny, der hinter dem Haus mit seinem Sohn spielt. „Aufgeregt bin ich nicht, aber gespannt“, sagt Ronny. Er hat mir vor wenigen Tagen mein Antragsformular abgenommen. „Na mal sehen, irgendwie hoffe ich ja, dass es zweistellig wird, das wär schon toll.“ Wenn die Piraten heute den Einzug in den Düsseldorfer Landtag schaffen, sind sie in einem Viertel aller Länderparlamente vertreten.

„Yeah“ und „Buhu“ und überhaupt ist alles ein wenig irre

Es ist Zeit, Ronny und ich begeben uns ins Innere der Hütte. In weniger als einer zwei Minuten werden die ersten Hochrechnungen bekannt gegeben. Die inzwischen zahlreich vertretenen Piraten scharen sich in Erwartung um die Leinwand. Jetzt ist die Hütte brechend voll. Plötzlich sehen sich alle selbst auf der Leinwand. Der Sender Phoenix schaltet zur Wahlparty in Berlin. Jubel. Der Reporter spricht von der „kleinen“ und „ruhigen“ Veranstaltung, von nicht mal 60 Piraten. Diese nicht mal 60 Piraten fangen an zu brüllen und zu johlen, um den Reporter Lügen zu strafen und sich selber im Fernsehen zu hören. Es ist ein bisschen irre.


Die Piraten haben keinen Grund zur Meuterei.

Nur noch wenige Sekunden. Die Spannung erreicht ihren Höhepunkt, so spannend, wie Politik eben sein kann, und die ganze Hütte zählt den Countdown: „Zehn … neun … acht …“. Pünktlich bei null verschwindet das Gesicht des Moderators vom Schirm und eine noch farb- und balkenlose Grafik baut sich auf: CDU. 26 Prozent. Jubel. Die Schwarzen haben gut acht Prozent verloren. Die SPD gewinnt deutlich dazu. 39 Prozent, ein respektvolles „ohhh“ folgt. Die Grünen bekommen elf Prozent. Juckt keinen. Die FDP? Acht Prozent. Kollektives Buhen, die Liberalen scheinen nicht wirklich beliebt zu sein. Die Linke bekommt nicht genug Stimmen, um in den Landtag einzuziehen. Ich unterdrücke gerade noch ein „Yeah“, als sich merke, dass sich hier keiner besonders freut. Und endlich die Piraten: sieben Prozent. Jubel. Den vierten Landtag geentert.

Zufrieden, wenn nur Christian Lindner nicht wäre

Ja klar sei er zufrieden, sagt Pirat Mathias in irgendeine Kamera. Es sei nur schade, dass die FDP so stark zugelegt habe. Dem Reporter, der Stimmen zum Wahlergebnis einholt, reicht das und zieht weiter. „Es ärgert mich einfach, dass die mit so einem Ego-Wahlkampf wieder über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen sind“, erklärt mir Mathias. Noch vor wenigen Wochen hätte kaum einer geglaubt, dass es die FDP schafft. „Die stehen ja nicht für Inhalte, das hängt alles an der Person ihres Landesvorsitzenden Christian Lindner.“ Soll heißen: Anders als bei den Piraten. Diese sind von ihren Inhalten überzeugt – anders als viele Medien, die hin und wieder bezweifeln, dass sie überhaupt welche haben.

So schlimm ist das mit der FDP ja dann auch nicht. „Je mehr Parteien in einem Parlament sind, desto besser ist meiner Meinung die politische Arbeit“, sagt Mathias. Die Parteien, die sich in Zukunft mit den Piraten befassen müssen, sehen das vielleicht anders. Erst vor kurzem hatte der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog gefordert, die Einzugshürde für das Parlament zu erhöhen. Die Zahl der Parteien im Parlament würde dadurch reduziert, ein Konsens einfacher zu finden. „Das ist doch das Ende der Demokratie“, lautet hierzu Mathias' Kommentar .


Die Piraten haben einen wertvollen Schatz erbeutet - das
Vertrauen der jungen Leute
Interessent von der FDP

„Och, ich finde das eigentlich ganz gut, was die da machen.“ Die Kamerateams sind weg, die Stimmung entspannt sich. Die Piraten haben heute mal wieder einen Sieg errungen. Der Mann mit den grauen Haaren und dem interessierten Blick ist nur zufällig vorbei gekommen. Er geht mir seinen Kindern spazieren. „Ich bin ja eigentlich in der FDP“, es klingt irgendwie gequält. Diesen Tonfall hörte man zuletzt häufiger, wenn man mit Anhängern der Liberalen sprach. „Aber ich muss sagen, auch inhaltlich, gerade was die Themen hier in Berlin angeht, aber auch beim Urheberrecht, bin ich mit den Piraten absolut einer Meinung.“ Es wird deutlich, dass er es ernst meint. Wie ich erfahre, ist der Mann Anwalt, mit einer Kanzlei mitten in Berlin.

Es scheint, als hätte ich einen echten Piraten-Fan getroffen. „Ich verfolge die Partei schon länger und habe zum Beispiel den letzten Parteitag im Stream gesehen. Wenn ich den mit dem ein oder anderen FDP-Parteitag vergleiche, dann sind die Piraten mit ihrer Arbeitsweise einfach effizienter.“

Der Anwalt zeigt wenig Verständnis für die Kritik an den Piraten. Ja, sie könnten halt nicht zu allem was sagen. Das sei aber tausend Mal ehrlicher als die leeren, eingeübten und inhaltslosen Worthülsen, die gestandene Politiker bei jeder Gelegenheit in jede Kamera sagen.

„Die Piraten sind ja auch ein internationales Phänomen, insofern glaube ich, dass sie tatsächlich für einen Paradigmenwechsel in der Politik stehen.“ Soviel Begeisterung beschämt mich als Neu-Pirat und freut mich als Schreiberling. Ob er denn nicht einfach den Piraten beitreten wolle? „Ach, ich glaube, die wollen mich da gar nicht.“ Ob man ihn denn namentlich zitieren dürfe? „Lieber nicht. Wie gesagt, ich bin in der FDP. Aber ich denke ernsthaft darüber nach, auszutreten.“

Fotos: privat

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Kommentare

32 Kommentare
  • Also ich fand es interessant überhaupt einmal zu lesen wie so eine Wahlparty abläuft. ^^ Und ich finde in deinem Artikel kommt gut rüber, dass die Piraten ganz normale Leute sind, nicht so abgehoben wie die der ganzen "großen" Parteien. (So kommt es mir zumindest vor)

  • Wenn das deine Meinung und die Intention deines Textes ist, dann werd ich mir das in Zukunft einfach nicht mehr durchlesen, weil es für mich und mein Leben belanglos ist.

    Es ist einfach nur beliebig. Genauso könnten auch Artikel über meinen örtlichen Schützenverein aussehen und wenn ich sowas haben will, kann ich selber dahin gehen.

  • Nachdem du ja schon im ersten Teil klar gemacht hattest, keine Inhalte vertreten zu wollen, ging ich mit einer ganz anderen Einstellung an den 2. Teil ran, und Voila plötzlich gefiel er mir ^^

  • Die FDP rückte doch mehr durch Zufall so in den Mittelpunkt.
    Wäre ein Typ von der SPD vorbeigekommen und nicht einer von den Liberalen, wäre die FDP nicht weiter erwähnt worden.

    Und in Einem muss man dem Autoren Recht geben.

    Wenn man sich die Wahlplakate der Partein angeguckt hat, dann gab es da die SPD, die Frau Kraft groß und fett abgedruckt hat, die CDU mit ihrem ekligen Röttgen(s?), der auch dick und fett auf ein Plakat gedruckt wurde, und die FDP mit ihrem Allaround-Gesicht Lindner.
    Die Piraten haben sich NICHT das schönste Gesicht der NRW-Piraten ausgesicht und auf ein Plakat gedruckt, sondern mit Inhalt geworben, was man bei KEINER der anderen Partein behaupten kann.

    (Das CDU-PLakat sah so aus:
    Gesicht von Röttgen(s?) und danaben den Spruch:
    Norbert
    Röttgen(s?)
    Wählen! --> NRW

    Das war Alles.
    YAY...was nen geiles Werbeplakat, da weiß man doch GENAU wofür diese Partei steht....NICHT!)

  • "Für mich seit ihr eine Protestpartei die nichts vernünftiges hinbekommt.
    Nach ein oder zwei Jahren gibt es weitere Pseudoparteien die alle nichts bewirken,lediglich die Gesellschaft weiter verunsichern."

    wtf....?
    JEDE verfickte Partei muss klein anfangen. Es wäre vollkommen übermenschlich wenn eine Partei gegründet wird, und SOFORT ZU ALLEN THEMEN DER GESELLSCHAFT eine allumfassende Meinung hat.
    Bisschen Köpfchen einschalten bitte.
    Ansonsten kann ich noch empfehlen sich mal den Beginn der "Grünen" anzugucken. Die fingen GENAUSO an, mit nur einem zentralen Thema, und inzwischen sind sie eine genauso etablierte Partei wie SPD oder CDU.

  • Horst Seehofer hat selbst im ZDF Heute Journal im Interview mit Klaus Kleber gesagt, die FDP hat sich erholt, wenn auch nur über Personen. Die Aussage kann man halt einfach machen. Das finde ich weder sehr kritikwürdig, noch eine schlimme Beleidigung für die FDP.

    Schaus dir an.
    http://www.youtube.com/watch?v=CS3qyx8drQk
    Is ganz interessant, Seehofer redet nachher mit Kleber, während das ZDF nicht sendet und erlaubt dann, dass Gespräch doch zu senden.

  • ... ich hoffe die Kommentatoren nehmen es mir auch nicht übel. Aber eure Kommentare sind mindestens so langweilig wie meine Artikel.

    Aber weil wir ja heutzutage, mit dem Internet, die Situation haben, dass User auch Produzenten, Sender auch Empfänger sind, widme ich mich natürlich gern der so überaus bliebten Kommentar-Funktion.

    Also nur in kürze, meine bescheidene Meinung, ohne Schärfe, ohne übrmäßig kritisch klingen zu wollen. Aber, meine Augabe ist es nicht, für die Piraten Inhalte zu erklären. Und ich finde das wird auch deutlich. Ich schreibe darüber, wie es bei denen aussieht, wie es bei denen riecht, wie die halt so drauf sind. Es ist eine subjektive Erfahrung, keine objektive Auseinandersetzung mit dem Wahlprogramm der Piraten.

    Darüber hinaus, wenn der geneigte Wähler an den Inhlten der Piraten interessiert ist, dann soll er hat die verdammte Zeitung lesen und nicht hier auf SPIESSER.de rumsurfen und sich beschweren, dass es keine tiefgehende analytische Auseinandersetzungen mit den Inhlten der Piraten gibt. Oder wenn er will, dass SPIESSER zu einem Forum politicher Meinungsbildung wird, dann sollte er vielleicht bei der Redaktion anfragen, anstatt bei den Autoren.

    Was mich zu Punkt zwei bringt. Die Zeichen. In 5000, 6000 oder auch meinetwegen 7000 Zeichen das Geschehen zu beschreiben, und(!) dazu noch Inhalte unterzubringen, ist nicht ganz so einfach, wie es mancher gern hätte. Auch hier würde ich euch an die SPIESSER Redaktion verweisen. Denn die bestimmt, wie lang ein Artikel wird, und die setzen die Grenze zumeist bei 6000 Zeichen, weil die Leute sonst auhören zu lesen. Also, schreibt der Redaktion, und verlangt, dass man euch mehr zutraut, dann bekommt ihr in 12000 Zeichen eine ausgiebeige Reportage, die sich sowohl mit Geschehen und mit Inhalten beschäftigt.

    Das zum Beispiel in NRW sehr interessante und für den Umgang mit den Piraten sehr symptomatische Thema Fahrscheinloser Nahverkehr zu erklären, geht halt nicht in zwei Sätzen. Wäre auch schade drum.

    Ansonsten, kann jeder eine Meinung zu den Piraten haben. Ich will niemanden überzeugen und auch niemanden abschrecken. Ich hab aufgeschrieben, was ich gesehen habe ...

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