„Aus Alt mach Neu“ – dieser Spruch bekommt bei Eric und Stanislaus eine ganz neue Dimension. Die beiden Berliner Startup-Unternehmer sind dem Recycling noch einen Schritt voraus: Sie stellen aus Müll Kleidung, Accessoires und Einrichtungsgegenstände her. SPIESSER-Autorin Anne-Kathrin haben sie von ihrer Idee erzählt.
18. December 2014 - 14:46 SPIESSER-AutorIn AnneEutin.
In einem typischen Berliner Hinterhof steht ein weißer Sprinter, der von oben bis unten mit buntem Tape zu einem Gesamtkunstwerk verschönert wurde. Das Motiv: Plastikflaschen werden von einer Welle erfasst, dann in eine Fantasie-Maschine gesaugt und zu Herzen weiterverarbeitet. Aus dem Wagen steigt Eric Pieper, 29 und Mitgründer von „Upcycling Deluxe“, einem Berliner Startup. Er zeigt auf den Wagen und erklärt: „Vermeintlichen Müll nicht wegschmeißen, sondern aufwerten – unser Firmenkonzept ist schon auf dem Auto erklärt.“ Wir fahren mit einem klapprigen Aufzug in den zweiten Stock, in dem momentan das neue Büro eingerichtet wird. Indiz dafür, dass der Laden läuft? Inzwischen sind es sechs feste und fünf freie Mitarbeiter, weshalb größere Räume notwendig sind. Außerdem befindet sich dort das Lager für den Online-Shop: Gürtel aus Fahrrad-Reifen, Taschen aus Saftpäckchen und Hüte aus Kaffeesäcken – hier bekommt Müll eine zweite Chance.
Recycling, Level Zwei
„Es geht nicht nur darum, Abfall wiederzuverwerten“, meint Stefan Korn. Er packt gerade Kisten aus und kümmert sich bei „Upcycling Deluxe“ um die Bekanntheit des Unternehmens. Die Idee der Aufwertung ist zentral. Es wird kein recyceltes Klopapier verkauft, sondern Designer-Stücke, vornehmlich Mode und Accessoires. Die verschiedenen Produkte kommen aus aller Welt, rund die Hälfte aus Übersee und der Rest aus Europa. „Das Qualitätsmanagement ist super wichtig bei uns, da die nachhaltige Produktion eine große Rolle spielt“, bekräftigt Eric. Viele der Hersteller sind NGOs (Non Governmental Organisations) oder Familienunternehmen, die Betriebe sind meistens zertifiziert, allerdings von regionalen Initiativen und nicht mit den gängigen Gütesiegeln wie Fair Trade.
Upcycling Deluxe
Die beiden Jungunternehmer Eric Pieper und Stanislaus Teichmann stecken hinter der Upcycling-Idee aus Berlin. Ihre Firma gibt es seit 2009, ganz klein ging es mit Standtischverkauf los. Mehr Mitarbeiter und ein Onlineshop sowie ein weltweites Netz an Produzenten ließen ihr Startup groß werden.
Die Gründer von „Upcycling Deluxe“ sehen sich selbst nicht als Weltverbesserer, vielmehr habe man es sich zum Ziel gesetzt, „Produkte mit Seele“ zu verkaufen. Diese Seele hat allerdings auch ihren Preis. Die Deckenlampe „Corona 13“ aus Schallplatten etwa kostet stolze 200 Euro. Das hat mehr mit Designerstück als mit Dritte-Welt-Laden zu tun. Und das, obwohl man so einen geringen Rohstoffaufwand hat? Das läge daran, erklärt Eric, dass in den produzierenden Betrieben überdurchschnittliche Löhne gezahlt und die Sachen so qualitativ hochwertiger verarbeitet würden. Die Kunden, die in Erics Laden auf der bei Touristen beliebten Kastanienallee oder im Online-Shop einkaufen, sind bewusst bereit, dafür höhere Preise zu zahlen.
Kick-Start im Mauerpark
Begonnen hat alles 2009 im Berliner Mauerpark, einem beliebten Flohmarkt in Prenzlauer Berg, wo sich Touristen, Hipster und junge Familien durch die Reihen drängeln. Eric Pieper und Stanislaus Teichmann, der zweite Mitgründer, waren der Meinung, dass die Idee, aus Müll Kreatives zu gestalten, Schlagkraft haben könnte. Inspiriert wurden sie durch einen Mitbewohner, der aus Müll Kunst fertigte, und einen Unternehmer aus den USA, der dort schon Upcycling-Produkte vertrieb. Die Trendwelle des nachhaltigen Lebensstils, LOHAS (nach dem englischen „Lifestyles of Health and Sustainability“) genannt, geriet langsam in Schwung, Stanislaus und Eric surften mit ihrer Idee ganz vorne mit. Am ersten Verkaufstag an ihrem Mauerpark-Stand machten sie direkt 600 Euro Umsatz.
Das Geschäft nahm seinen Lauf, irgendwann gab es zahlreiche Stände auf Weihnachtsmärkten mit den Upcycling Deluxe-Produkten. Mit dem daraus gewonnen Kapital und eigenen kleinen finanziellen Zuschüssen hatten die beiden Unternehmer 5.000 Euro zusammen – eigentlich ein lächerlicher Betrag für eine Unternehmensgründung mit eigenem Laden in solch einem umsatzkräftigen Gebiet wie der Kastanienallee. Seit einem Jahr gibt es einen Online-Shop, den 15.000 Besucher im Monat ansteuern. Trägt ein ausgeklügelter Businessplan so langsam Früchte?
Vom Lebenskünstler zum Jungunternehmer
Eric bezeichnet sich als Lebenskünstler, ist viel gereist, hat mal hier und dort gearbeitet und festgestellt, wie langweilig so ein Maschinenbau-Studium sein kann. Einen gewissen Unternehmergeist hatte er aber stets. Er und sein Geschäftspartner Stanislaus lernten sich in Flensburg kennen, weil sie die Organisation einer besetzten Bäckerei übernahmen. „Besonders beim Planen von Partys waren wir vorne dabei“, grinst Eric. In Berlin fanden sie dann wieder zusammen und wurden Geschäftspartner. Für Eric ist Berlin die ideale Stadt, um mit wenig bis gar keinem Geld ungewöhnliche Ideen zu verwirklichen, nicht nur Modehauptstadt, sondern auch ein fruchtbares Sammelbecken für Startups. „Upcycling Deluxe“ ist ein Beispiel dafür, wie eine spontane Idee mit wenig Startkapital schnell Fahrt aufnimmt. Bis die Kisten abermals gepackt werden müssen, weil das Unternehmen aus der Bürogröße herausgewachsen ist.
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