Metalfans? Das sind doch diese brutalen, langhaarigen Kerle, oder? Weit gefehlt! SPIESSER-Reporterin Nicole war dieses Jahr auf dem Reload-Festival in Sulingen und macht viele neue Erfahrungen.
07. September 2017 - 16:35 SPIESSER-Autorin JillTaylor.
Reload Schmaler Taler oder dickes Portemonnaie? Wie auf allen Festivals, ist alles ein bisschen teurer, für Festival-Verhältnisse ist es aber günstig. Geilster Gig? Eindeutig Anti-Flag. Da hat alles gestimmt: Musik, Fans, Wetter. Matsch, Strand oder Waldlichtung? Abgemähter Acker. Für Headbanger oder Raver? Eindeutig Headbanger. Must-Have-Accessoire? Oropax. Dieses Notfallessen geht immer? Räucherfleisch und Pellkartoffeln.
Am 25. August 2017 ist es tatsächlich soweit: Ich besuche mein erstes Festival! Aber dann auch gleich das Reload-Festival in Sulingen. Als Unterstützung habe ich meinen Mann Julian mitgenommen. Als regelmäßiger Wackengänger ist er Rockfestival-erprobt. Dann mal los!
Das Festival hat schon am Donnerstag mit einigen Warm-up-Konzerten begonnen. Dementsprechend gut ist die Stimmung, als Julian und ich am Freitag dort aufkreuzen. Die erste Band, die wir sehen, ist Max Raptor aus England. Es ist das erste Konzert am Tag, deshalb sind noch nicht so viele Leute da, aber alle haben Spaß. Zwischen hervorragender Sozialkritik unterbrechen die Jungs ihre treibende Rockmusik und entschuldigen sich für den Brexit. Offenbar lag ihnen das am Herzen, wenn sie schon bei den europäischen Nachbarn spielen.
Kleidung mit der Tendenz zu schwarzer Farbe
Als Nächstes steht für Julian und mich Anti-Flag auf dem Programm. Bis dahin ist noch etwas Zeit und so schlendern wir eine Weile über das Festivalgelände. Auf dem Campingplatz treffen wir einige Bekannte und quatschen mit ihnen. Wieder zurück am Einlass wirft mir ein junger, oberkörperfreier Mann seinen Energydrink zu, den er aus Sicherheitsgründen nicht mit auf das Hauptgelände nehmen darf. Coole Stimmung hier!
Auf dem Gelände sehen wir alle möglichen Leute. Die meisten sind etwa 20 bis 30 Jahre alt, genauso wie wir, aber auch Kinder im Grundschulalter und Leute, die unsere Eltern sein könnten, laufen über den Festivalacker. Kleidungstechnisch ist eine klare Tendenz zu schwarzer Farbe auszumachen. Ansonsten freue ich mich, dass ich mal nicht diejenige mit den buntesten Haaren bin – mein Knallrot fällt bei Leuten mit pinken, blauen und grünen Haaren nun mal weniger auf.
Kleidung mit Tendenz zu schwarzer Farbe.
Mit Metal gegen den Brexit
Zwischen den Acts haben wir Gelegenheit, mit den Jungs von Max Raptor zu sprechen. Vorhin haben sie sich für den Brexit entschuldigt – warum sind sie so dagegen? Bassist Matt sagt: „Ich glaube daran, an so einer Sache wie dem Festival teilzunehmen. Hier gibt es keinen Hass, sondern ein Gemeinschaftsgefühl. Und der Brexit erschwert das.“ Ich kann das absolut bestätigen: Auf dem Reload-Festival sind alle gut drauf, alle fühlen sich verbunden. Wäre wirklich schade, wenn der Brexit es Bands wie Max Raptor erschweren würde, an so etwas teilzunehmen.
Um kurz nach fünf beginnen Anti-Flag mit ihrem Auftritt. Sie sind wirklich großartig, die Stimmung ist gut. Sie geben zwar selbst zu, dass ihre punkige Musik auf einem Metalfestival eher ungewöhnlich ist, der Stimmung tut das aber keinen Abbruch. Die Leute pogen, singen die Texte mit und recken die „Pommesgabel“ in die Höhe.
Auch kleine Circlepits bringen große Freude.
Außen hart, innen weich
Es gibt viele Vorurteile gegenüber den ach so brutalen Metalern. Aber eins muss ich feststellen: Man hilft einander. Beim Auftritt von Skindred, einer britischen Metal-Band, kann ich das zum Beispiel gut beobachten. Wenn jemand beim Pogo im Circlepit hinfällt, helfen die anderen ihm auf. Julian erklärt mir, dass das auf jedem Metalkonzert so ist. Großartig!
Skindred-Sänger Benji Webbe sagt sehr deutlich, was er vom Reload-Publikum hält: „I love you, motherfuckers!“ Und ich liebe es hier. Auch Bullet For My Valentine haben einen großartigen Auftritt. Danach bin ich allerdings doch sehr kaputt und falle erschöpft ins Bett.
Meine Mutter wäre stolz auf die Leute
Am Samstag haben wir einen eher ruhigen Tag und kriegen die meisten Bands mit, während wir im Außenbereich die Ess- und Trinkstände abchecken. Das Futter ist sehr schmackhaft – meine Mutter, die Köchin ist, wäre stolz auf die Leute. Schade nur, dass ich die Gratis-Wasserleitungen erst am Samstag entdecke.
Musikalisches Highlight des Samstages sind für mich ganz klar Knorkator. Wobei die Musik nicht mal das Interessanteste ist – Sänger Stumpen steht nach ein paar Liedern auf einmal in hinternfreier Unterhose auf der Bühne!
Abends fahren mein Mann und ich wieder zurück nach Hause. Ich bin ziemlich zerstört, mein Mann findet aber, dass ich mich für mein erstes Festival sehr gut geschlagen habe – und ich möchte die Erfahrung auch um nichts missen. Musik, die in die Ohren geht, tolle Stände und ein wunderbares Gemeinschaftsgefühl. Das Reload-Festival werden mein Mann und ich sicher wieder besuchen.
Text & Textbilder: Nicole Prehn Headerbild: Jessica Wollstein, Reload
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