Ich habe Sascha kurz vor seiner Abfahrt nach Griechenland kennengelernt. Er fragte damals in unserem Freundeskreis, ob wir nicht auch mitfahren wollen. Seitdem habe ich immer wieder an die Volunteers und Flüchtlinge vor Ort gedacht und war gespannt zu hören, wie es Sascha dort ergangen ist.
Flüchtlinge warten auf eine Weiterreise
Foto: privat
Seit mittlerweile drei Wochen ist Sascha auf der griechischen Insel Chios, die nur wenige Kilometer vor dem türkischen Festland liegt. Dort kümmert er sich um die ankommenden Flüchtlinge, die sich von hier aus über die sogenannte Balkanroute nach Nordeuropa durchschlagen wollen. Sascha ist hauptsächlich in der täglichen Tee- und Essensausgabe tätig. Hier heißt es, flexibel bleiben, denn sichere Prognosen über die Anzahl der Ankommenden gibt es nicht. Es können in einer Nacht 50, aber auch 1.000 Menschen eintreffen.
Die Freiwilligen haben zudem eine Kleiderkammer eingerichtet, denn wenn die Flüchtlinge aus den Booten steigen, sind viele unterkühlt und ihre Schuhe, Socken und Hosen sind durchnässt. Deswegen hat Sascha gerade eine Trockenkammer konstruiert. Darin können nun bis zu 50 Schuhpaare gleichzeitig getrocknet werden.
Politische Verschärfungen erschweren die Hilfe
Andere Volunteers wiederum arbeiten im sogenannten „shoring“. Das heißt, sie fahren nachts mit Autos die Küste ab, da die Schlauchboote meist nachts ankommen und dann direkte Hilfe benötigt wird. Wenn eine größere Gruppe ankommt, wird ein Bus organisiert, der die Menschen abholt und in das Registrierungscamp fährt. Die Zahl der Geflüchteten variiert sehr stark: vergangene Nacht waren es lediglich fünf Schlauchboote (mit jeweils 50-60 Menschen), letzte Woche kamen hingegen weit über eintausend Menschen pro Nacht an.
Seit einigen Tagen bekommen die Volunteers die politischen Verschärfungen seitens der Europäischen Union (EU) auch am eigenen Leib zu spüren. Durch tägliche Identitätskontrollen und Leibesvisitationen scheinen die frisch stationierten Frontex-Mitarbeiter ihre Autorität demonstrieren zu wollen. Auf der Nachbarinsel Lesbos wurden sogar schon Volunteers festgenommen und des Menschenschmuggels angeklagt, weil sie den Ankommenden bei der Landung mit ihren Schlauchbooten halfen.
Seit Ende November lassen Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nur noch Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan einreisen und weisen alle anderen ab. Besonders in Idomeni, an der Grenze zu Mazedonien, kam es dadurch zu starken Protesten – einige Geflüchtete haben sich ihre Lippen zugenäht, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Auch hier war Sascha mit dem Dresden-Balkan-Konvoi vor Ort.
Waren in Idomeni noch andere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie beispielsweise „Ärzte ohne Grenzen“ für die Lebensmittelversorgung tätig, liegt auf Chios die gesamte Versorgung auf den Schultern der Volunteers. Einige der NGOs auf Chios unterstützen indirekt auch den Registrierungsprozess. Dem steht der Balkankonvoi allerdings kritisch gegenübersteht, da viele der Geflüchteten nur eine Aufenthaltsgenehmigung für 30 Tage bekommen und dann wieder abgeschoben werden sollen.
Teurer Transport auf die Inseln
Das größte Problem, sagt mir Sascha, ist momentan, Hilfsgüter auf die Inseln zu bekommen. Die Hallen mit Sachspenden auf dem Festland sind gut gefüllt. In Thessaloniki zum Beispiel hat eine Fabrik ein riesiges Sachspendenlager eingerichtet, aber der Transport auf die Inseln ist so teuer, dass es daran zurzeit mangelt. „Um den Bus, mit dem wir kamen, auf diese Insel zu bringen, mussten wir 400 Euro zahlen“, erklärt Sascha. Daher ist es wichtig, dass auch Geldspenden, mit denen die gesamte Arbeit des Balkan-Konvois finanziert wird, zusammenkommen.
Thermodecken helfen ein wenig wärmer
zu werden.
Foto: flickr-User Jordi Bernabeu Ferrús,
flickr.com, CC-Lizenz (CC BY 2.0)
Ich frage freiwilligen Helger, wie er damit klarkommt, dass die Situation für die Geflüchteten immer schlimmer wird und seine Arbeit eigentlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein kann. Doch er erklärt mir, dass es hilft, sich die zahlreichen Einzelfälle in Erinnerung zu rufen. Nahe der mazedonischen Grenze hat er zum Beispiel nachts mit dem Auto eine zehnköpfige Familie aufgesammelt, die vollkommen unterkühlt und hungrig einen Feldweg entlang irrte. In der Unterkunft der Volunteers konnte sie etwas essen, sich aufwärmen und den nächsten Schritt ihrer Reise planen.
Sascha möchte noch bis Mitte Februar auf Chios bleiben. Bis zum Tag der Abfahrt kann sich der Einsatzort des Konvois jedoch jederzeit wieder ändern. Denn wichtig ist, dass dort Helfer sind, wo es sie gebraucht werden. Sollte es also an einer anderen Stelle der Balkanroute zu Konflikten kommen, würden er und die die übrigen Volunteers auch dorthin reisen, um dabei zu helfen die Situation zu entschärfen.
Weiter engagieren möchte Sascha sich auf jeden Fall – auch wenn er wieder zurück in Deutschland ist. Ich wünsche ihm dabei viel Erfolg und werde die Aktivitäten des Balkan-Konvois auf ihrer Facebook-Seite verfolgen.
Text: Renée Theesen
Teaser: flickr-User Stefanie Eisenschenk, flickr.com, CC-Lizenz (CC BY 2.0)