FAZ-Herausgeber Nonnenmacher: „Alte Säcke können keine junge Zeitung machen“
SPIESSER.de-Autor Robert hat auf der Konferenz „Denk ich an Deutschland“ Günther Nonnenmacher, den Mitherausgeber der FAZ, zum Interview getroffen. Nonnenmacher ruft euch dazu auf, aktiv in der Politik mizumischen: „Just do it!“
22. October 2010 - 16:02 von SPIESSER-Autor Robatt.
SPIESSER.de: Haben die Print- und Rundfunkmedien noch die Macht, um Politik zu erklären und Meinungsbildung zu fördern?
Günther Nonnenmacher Wenn man sich die großen Ereignisse wie die Sarrazin-Debatte anschaut, wird das doch deutlich: Den Anstoß zur Diskussion geben die großen Medien, die auf ein Thema aufmerksam machen. Hier hat sich gezeigt, dass die großen Medien die Debatte anführen.
Im Netz werden die Dinge dann in Blogs und Foren diskutiert. Man greift die Themen auf und kann sie mit einer viel größeren Beteiligung besprechen. Aber ohne den Anstoß aus den Medien, würde sich niemand darüber unterhalten. Das Internet wäre also ziemlich leer, wenn es keine Printmedien gäbe.
Online ergänzt offline?
Genau so ist es. Eine Zeitung hat immer eine begrenzte Seitenzahl, die man nicht nur mit Leserbriefen zu einer Diskussion füllen kann. Das Internet hingegen ist unendlich. Hier kann sich jeder daran beteiligen und mitreden.
Wird das nicht irgendwann zu viel, wenn man von allen Seiten mit Informationen beschossen wird?
Ich glaube, dass die Qualität der Aussagen, scharfkantige Thesen abgenommen haben. Vor allem finde ich Printmedien klarer und aufschlussreicher. Es gibt im Internet so viele Informationen, die dann wiederum auf andere Seiten verweisen und überall muss ich mich irgendwie durchklicken. Das ist unglaublich zeitaufwendig. Wenn die Komplexität eines Themas reduziert und für viele Leute schnell verständlich sein muss, dann schafft das ein Printmedium eben besser.
Werden wir, bezogen auf politische Aktionen, durch das Internet träge oder mobil?
Beides ist richtig. Natürlich kann man durch das Internet politische Aktivitäten steuern und organisieren, jedoch benötigt man dafür einen festen Kern, der den Rest der Nutzer mitzieht. Keine Community wird aus sich selbst heraus anfangen Obama zu unterstützen. Dafür braucht es Leute, die die Bewegung steuern. Andererseits macht es uns natürlich bequem, auf „Petition unterzeichnen“ zu klicken, anstatt auf die Straße zu gehen.
Verliert der Protest an Bedeutung, wenn ich nur klicke statt zu demonstrieren?
Das was im Netz passiert ist Pseudobeteilgung, es sind Ersatzhandlungen. Ich klicke also, um Dinge zu unterstützen, anstatt mich wirklich mit meiner Zeit und meiner Kraft für etwas zu engagieren und es selbst in die Hand zu nehmen. Wenn man die Leuchttürme, diesen harten Kern, der die Fäden zieht, nicht hat, dann verläuft sich eine politische Aktion in den Unweiten des Netzes.
Verkümmern unsere sozialen und emotionalen Fähigkeiten dadurch, dass wir vieles nur noch digital kommunizieren?
Das müssten Sie eigentlich besser wissen als ich, denn Sie gehören zu den „Digital Natives“, die damit aufgewachsen sind. Ich bin nur ein „Digital Immigrant.“ Die Hirnforschung befasst sich ja damit, ob dieses ständige Multitasking, dem wir durch das Internet ständig begegnen, zur geistigen Bereicherung oder Konzentrationsschwäche führt. Ob man als „Digital Native“ das reale Kommunizieren verlernt, muss Ihre Generation herausfinden.
Das Motto heute lautet „Denk ich an Deutschland“. Wofür steht Deutschland in Ihren Augen? Haben wir mehr Werte als Pünktlichkeit und Technologievorsprung?
Wie wichtig die sogenannten Sekundärtugenden sind, merkt man erst wenn man im Ausland ist. Denn wenn die Leute nie pünktlich sind und ein Zug keinesfalls zur angegebenen Zeit kommt, dann lernt man das erst mal schätzen. Aber wir leben in einer toll ausgebildeten Wissensgesellschaft. Natürlich ist das ausbaufähig und wir müssen das auch weiterhin und fördern. Deutschland ist eben ein Land der Erfindungen. Kurt Biedenkopf hat es in seiner Rede schon gesagt: „Wir sind gar nicht so schlecht, wie wir immer denken.“
Vielerorts werden in der Finanzkrise die Mittel für Jugendarbeit gekürzt ...
Ich finde es bedauerlich, wenn Jugendclubs, Vereinen und anderen Programmen für Jugendliche das Geld gekürzt wird. Andererseits heißt weniger Geld doch nicht automatisch auch schlechtere Arbeit. Wir verbinden Geld viel zu schnell mit Leistung. Man muss dann eben mit Eigeninitiative dafür sorgen, dass die Projekte weiterlaufen.
Warum kommunizieren die Politiker nicht auf einer Höhe mit den Jugendlichen? Konzerte, Schulbesuche, Internetplattformen – man könnte so viel näher an die Jugend heran. Oder anders gefragt: Wie viel Jugend braucht die Politik?
Mit der Politik ist es wie mit der Zeitung: Immer weniger Jugendliche beteiligen sich daran. Wenn ich junge Leser haben möchte, brauche ich auch junge Leute in der Redaktion. Alte Säcke können keine Zeitung für Jugendliche machen. Genau so ist es in der Politik. Jeder alte Politiker war mal jung. Wenn also junge Leute in die Parlamente sollen, dann müssen die sich auch dafür einsetzen. Auflehnen gegen die Alten und immer wieder einbringen. Just do it – so ist es mit allem im Leben.
Interview: Robert Weinhold
Fotos: Maximilian Winkler
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