Seit zwei Monaten laufen PEGIDA-Demonstranten durch die sächsische Landeshauptstadt. Sie fürchten sich vor einer angeblichen Islamisierung der Gesellschaft und pochen auf eine schärfere Asylpolitik. Doch was ist dran an den Thesen? SPIESSER-Praktikantin Mireille hat für euch einige Aussagen genauer unter die Lupe genommen.
18. December 2014 - 16:04 SPIESSER-RedakteurIn whiteblankpage.
In Deutschland leben liegt im Trend: Die Bundesrepublik ist das gefragteste Zuwanderungsland nach den USA, mittlerweile leben 7,4 Millionen Menschen ohne deutschen Pass hier. Pegida-Anhänger beklagen deshalb oft, dass Ausländer dem Staat auf der Tasche liegen würden. Daher die These vom angeblichen Schaden. Dabei ist das genaue Gegenteil der Fall: Ausländer entlasten die Bundesrepublik enorm, beispielsweise allein im Jahr 2012 um 22 Milliarden Euro. Zuwanderung ist in diesem Fall also definitiv kein Schaden, sondern viel mehr auch ein finanzieller Gewinn.
„Der Bundesrepublik droht eine Islamisierung der Gesellschaft.“
Pegida fürchtet sich: Droht der Bundesrepublik die
Islamisierung?
Schaut man sich den Anteil der Muslime in Deutschland an, dann kann von einer Islamisierung der Gesellschaft auf keinen Fall gesprochen werden. Lediglich 3,7 % aller deutschen Bürger gehören der Religion an. Rechnet man in Deutschland lebende Ausländer samt Flüchtlingen hinzu, kommt man auch nur auf einen Anteil von etwas weniger als 6%.
Besonders interessant wird es, wenn wir die Zahlen auf Sachsen herunterbrechen. Knapp 4.000 Muslime leben im Freistaat, das macht nicht einmal 0,1 % aus. Nur so zum Vergleich: Zur letzten Pegida-Demo kamen 15.000 Menschen, d. h. gegen jeden sächsischen Muslim versammelten sich knapp vier Gegendemonstranten auf Dresdens Straßen.
Mit dieser Behauptung haben die Demonstranten zunächst nicht ganz unrecht. In den letzten Jahren ist die Zahl der hier lebenden Salafisten tatsächlich stark angestiegen, von 2.300 auf 7.000, so zumindest die neuesten Einschätzungen des Verfassungsschutzes.
Unter diesen 7.000 sind mindestens 450 sogenannte Dschihadisten. Das bedeutet, dass sie sich in Syrien dem IS oder anderen islamischen Kampfverbänden angeschlossen hatten, und nun nach ihrer Rückkehr eine potenzielle Gefahr darstellen. Doch, und das sollten wir auch berücksichtigen, sind nicht alle Salafisten automatisch eine Bedrohung für unsere Gesellschaft. Gewaltpotenzial herrscht nur vereinzelt, der Großteil der salafistischen Einrichtungen ist dem nicht gewaltbereiten Salafismus zuzuordnen. Außerdem ist eine schärfere Asylpolitik, so wie sie von Seiten der Pegida-Anhänger gefordert wird, keine Lösung des Problems, denn rund ein Drittel der in Deutschland lebenden Salafisten sind deutsche Konvertiten und somit weder Ausländer noch Asylsuchende.
Pegida ist besorgt: Wird der Dresdner
Christstollen bald anders heißen?
„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Dresdner Christstollen umbenannt wird.“
Hinter diese Aussage steckt die zentrale Sorge der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ um die deutsche Kultur und ihre Traditionen und Werte. Die Angst vor der Umbenennung des Stollen ist dabei eine direkte Reaktion auf die Wintermärkte, auf die sich die Pegida-Führungsspitze gerne in ihren Reden bezieht. Hintergrund dazu: In Berlin wurden laut Führungsmitglied Lutz Bachmann einige Weihnachtsmärkte in Wintermärkte umbenannt. Diese Hauptstadtzustände gilt es in Dresden zu vermeiden. Kleiner Fakt am Rande: Die meisten Wintermärkte wurden nicht umbenannt, sondern heißen bereits seit ihrer Eröffnung so.
Aber davon einmal abgesehen, ist es natürlich etwas sonderbar, dass sich Pegida an solchen Banalitäten aufhält. Wen's dennoch interessiert: Der Dresdner Christstollen ist seit über 15 Jahren eine eingetragene Marke – und somit rechtlich geschützt. Besondere geografische und qualitative Kriterien müssen erfüllt werden, damit sich ein Gebäck Dresdner Christstollen nennen darf. Der 2012 als Marke des Jahrhunderts ausgezeichnete Dresdner Christstollen kann also nicht so einfach mal umbenannt werden. Die Befürchtungen der Pegida sind unbegründet.
„Die Rentner in Deutschland können sich noch nicht mal ein Stück Stollen leisten, während der Staat Asylbewerbern voll ausgestattete Unterkünfte zur Verfügung stellt.“
Dass immer mehr ältere Menschen in Deutschland in Armut leben müssen, ist ein unumstößlicher Fakt. Mittlerweile leben etwa eine halbe Million Rentner am existenziellen Minimum. Das bedeutet, dass sie im Monat etwa 391 Euro vom Staat bekommen, sowie Miete und Heizkosten getragen werden.
Im Vergleich dazu leben alleinstehende Asylbewerber in Deutschland von 140 Euro im Monat. Auch sie können sich somit, um beim Argument Pegidas zu bleiben, kein Stück Stollen leisten. Und die Unterkünfte für Asylsuchende in Deutschland entsprechen lediglich den humanitären Maßstäben. Von voll ausgestatteten Unterkünften – bei diesem Begriff schwingt meiner Meinung nach fast schon etwas luxuriöses mit sich – kann bei Asylheimen mit riesigen Gemeinschaftszimmern wohl kaum die Rede sein.
Was'n da in Dresden los?
SPIESSER-Autor Paolo erklärt euch, was aktuell montags auf den Straßen seiner Heimatstadt passiert.
Text: Mireille Huditz
Teaserfoto: Flickr-User tonal decay (CC BY 2.0)
Fotos: Flickr-User onnola (CC BY-SA 2.0)/ Flickr-User Eliza Adam (CC BY-ND 2.0)
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