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Das Medienlager geht On-Air

„Und nun kommt der neue Song von...“ – Sonst hört man diese Wörter beim Autofahren, Kochen oder Entspannen. Oft wechselt man einfach den Sender. Doch wie läuft eine Radiosendung eigentlich ab? Was geschieht im Hintergrund? Sarah hat im Rahmen des Medienlagers 2013 die Redaktion von Radio Chemnitz besucht und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

03. August 2013 - 10:35
SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
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Beigetreten: 25.04.2009

Der erste Schritt in den Redaktionsraum: Ein Sammelsurium aus Papier. Überall an den Wänden hängen Plakate mit Aufschriften, wie „Radio Chemnitz 102.1 – Jeder Song ein Hit“. Die massiven Säulen, die das Dach stützen, werden von einem Dschungel an Post-It-Zetteln und Ausdrucken geziert. Regionale Ereignisse im Fußball, bevorstehende Festivals, wichtige Telefonnummern – Alle Daten liegen sofort griffbereit. Mein Blick wandert über zwei Zimmerpflanzen hinweg zu dem vordersten Schreibtisch im Raum. Auf ihm  befinden sich eine Tasse Kaffee, ein Bilderrahmen mit einem Familienfoto, ein PC und ein Telefon. Die Gegenstände werden von etlichen Visitenkarten umzingelt. Der Papierstapel daneben ähnelt dem Mount Everest. Ein Telefon läutet. Mein Scanner-Blick erlischt. Ich schaue zwischen den anderen Medienlager-Teilnehmern umher. Alle Augenpaare sind auf den Mann vor uns gerichtet: „Ich heiße Matthias Gabler.“ Der Redakteur steht aufrecht, gestikuliert wild mit seinen Händen. Radio Chemnitz sendet seit knapp 20 Jahren“, sagt Matthias. Alle lauschen gespannt, schreiben Notizen in ihre Hefte. Ich wende mein vollgeschriebenes Blatt.


Matthias Gabler produziert zahlreiche Beiträge
für Radio Chemnitz.

Was sehe ich denn da? Ich reiße meine Augen auf, entferne mich kurzerhand wenige Schritte von der Gruppe; zu neugierig macht mich mein skandalöser Fund. Tatsächlich – Die Jugendzeitschrift Bravo liegt auf einer länglichen Kommode. Ich fahre über den Schriftzug, begutachte Selena Gomez und ihr buntes Outfit auf dem Cover. Plötzlich merke ich einen leichten Windzug. Eine Tür geht neben mir auf. „Hier ist das Produktionsstudio“, sagt Matthias. Wie eine Horde Pferde galoppieren wir hinein. Ich gehe voran und werde in die hinterste Ecke gequetscht. Luft anhalten, Bauch einziehen. Der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee steigt in meine Nase. Vor uns ereignet sich ein wahres Lichtkonzert. Rote, gelbe, grüne Knöpfe blinken auf dem großen Mischpult auf dem Schreibtisch vor uns. Auf ihm befinden sich außerdem zwei große Bildschirme und Mikrofone. Ich staune. Matthias bricht das Schweigen. Er greift zu einem schwarzen Gerät. Ein Kassettenrekorder vielleicht? Matthias klärt mich über den wahren Namen auf: „Wenn wir Reporter zum Außendienst schicken, ist ein Reportergerät Pflicht, warum wohl?“ Bevor jemand aus unserer Gruppe antworten kann, fährt er fort:. „Um Interviews aufzeichnen zu können, die dann im Nachrichtenblock ausgestrahlt werden.“ Er redet, erklärt und zeigt uns besondere Programme mit denen die Aufnahmen der Reporter bearbeitet werden. Total kompliziert.

Auf einmal erstrahlt der kleine Raum in einem leuchtend hellen Rot. „On Air“, steht in Großbuchstaben auf dem leuchtenden Schild geschrieben. Matthias bemerkt unsere Blicke. „Gerade wird live das nächste Lied anmoderiert“, erklärt er. Ich nicke. „Wenn man sich für das Medium Radio entscheidet, muss man sich eines bewusst machen: Man sollte schreiben, lesen und auch sprechen können“, so der Redakteur von Radio Chemnitz. Mein Staunen wächst und wächst während er uns in den nächsten Raum lotst. Endlich – das Sendestudio. Diesmal trete ich als Letzte ein, nicht nochmal möchte ich zerquetscht werden. Ich lege meinen Block auf einem Tisch vor mir ab und schaue mich um. Wieder Kaffeetassen, Ordner und Visitenkarten; vor allem aber Werbeartikel des lokalen Radiosenders selbst. „Schönen guten Tag, ich bin Karsten Koliski und begleite die Leute in Chemnitz vom späten Nachmittag bis in die frühen Abendstunden“, sagt der Moderator. Er sitzt auf einem Drehstuhl und starrt konzentriert auf einen Bildschirm, bevor er zu klicken beginnt. Das nächste Lied erklingt aus den Lautsprechern.


Das Logo des Senders ist allgegenwärtig.

Karsten dreht sich zu uns und erzählt von seiner Karriere, dem Radioalltag und Unterschieden zum Zeitungs-Journalismus. Erneut wedelt Wind durch meine Haare. Ein schwarzhaariger Mann steuert auf den hinteren Arbeitsplatz zu. Er stellt sich als Lutz Escher vor. Lutz ist der Redaktionsleiter bei Radio Chemnitz und integriert sich schnell in unser Gespräch. Mein Notizbuch droht inzwischen vor lauter Informationen zu platzen, so viel schreibe ich auf. Auf einmal kehrt Stille ein. Lutz  gibt ein Handzeichen. Drei, zwei, eins – jetzt beginnt er ganz routiniert mit der Durchsage der aktuellen Nachrichten. Ich blättere meine Notizen durch, registriere abwesend die Ansage. Schlechte Erdbeerernte, gutes Wetter, keine Blitzer in und um Chemnitz. Je schneller man von aktuellen Ereignissen erfährt, desto größer ist die Anerkennung und der Popularitätszuwachs. Man muss mindesten zehn Jahre in einer Lokalredaktion arbeiten, um gute Kontakte pflegen und knüpfen zu können, erklären uns Karsten und Lutz. Ich starre auf mein Ziffernblatt. Der Zeiger bewegt sich rhythmisch vorwärts.


Karsten Koliski modereriert von
Montag bis Freitag die Sendung
"Chemnitz am Nachmittag"
.

„Was war die kurioseste Meldung, die ihr jemals erhalten habt?“ Diese Frage einer anderen Teilnehmerin katapultiert mich aus meinen Gedanken zurück in die Gegenwart. Moderator und Redaktionsleiter überlegen. „Da gibt es viele“, beginnt Lutz, während er sich eine neue Nachrichtenmeldung durchliest. „Trottelmeldungen“, unterbricht ihn Karsten. Unsere Gruppe kichert. „Erst vor Kurzem kam ein sturzbetrunkener Mann zur Polizei, um jemanden anzuzeigen. Den haben die Beamten gleich auf der Wache behalten“, erklärt er. Alle lachen. Doch die Freude verfliegt schnell. Unsere Zeit ist um. Wir müssen gehen. Enttäuschung steigt in mir auf. Ein viel zu abrupter Schluss für einen viel zu interessanten Nachmittag. Nacheinander verlassen wir das Studio, sammeln uns wieder im Redaktionsraum. Ich schultere gerade meine Tasche und will aus der Tür treten, als ich leise Karstens Stimme aus dem Sendestudio höre: „Und nun kommt der nächste Song von“ – noch ehe ich Titel und Interpret höre, hat sich die Tür zur Radio-Welt wieder geschlossen. Durchs Glas kann ich nur noch sehen, wie das Rot des On-Air-Schildes erlischt.

Text: Sarah Schreckenbach
Fotos: Marie Krause

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Kommentare

Ein Kommentar
  • Dieser Artikel ist super geschrieben und man hat einen visoellen Eindruck bekommen, was in einem Radiosender so abgeht.Es hat mir viel Freude gemacht ihn zu lesen.

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