hier stehe ich an deinem Krankenbett und weiß nicht, ob es gar dein Totenbett ist. Die Ärzte meinen, es stehe schlecht um dich, sie können nicht sagen, ob du überleben wirst. Was ist passiert? Du hattest einen schweren Unfall, bist zu schnell gefahren, hast dich wahrscheinlich als Muttersprache der großen Dichter und Denker selbst überschätzt. Du hast die Kurve nicht gekriegt. Es gab einen heftigen Zusammenstoß. Das Englische ist frontal in dich hinein gerast. Ihm geht es gut, es kann schon wieder laufen, nein rennen.
Es stürmt in jede Geschäftsetage, die für international management und globalization communication ihre Hand ins Feuer legt. Es hetzt von Universität zu Universität, verdrängt Diplomverwaltungswirte durch Masters of Business Administration . Es flitzt durch jeden chatroom , lässt thx und bye fallen wie Hänsel und Gretel ihre Brotkrumen. Während das Englische seinen Siegeszug feiert, liegst du röchelnd vor mir. Sind wir selbst schuld daran? Haben wir dich verleugnet, indem wir uns mit dem frischen, jung anmutenden Englisch schmückten? Haben wir damit dein Grab geschaufelt?
Nein, das haben wir nicht. Denn du, liebe deutsche Sprache, bist schon immer eine Hybridsprache gewesen, die auf eine jahrhundertelange Tradition der Übernahme fremder Wendungen und Änderungen der Grammatik stolz sein kann. So wie wir dich kennen, bist du nicht immer gewesen. Du bist das Produkt eines von unzähligen Einflüssen geprägten Prozesses. Ein Produkt, das in keinem Gefrierbeutel der Welt konserviert werden kann. Erinner' dich doch an die Zeit vor 200 Jahren, als das Französische das Vokabular der Gelehrten und Geadelten überschwemmte und du dich dennoch wacker schlugst.
"Schreib mal wieder!"
Jeder von euch kann einen "Brief an..." schreiben. Das Thema gebt ihr selbst vor. Der Text sollte zwischen 2.000 und 3.000 Zeichen haben und kann witzig, kritisch oder auch böse sein. Vorschläge, Fragen und Anregungen an die Onlineredaktion.
Anstatt dich hilflos in deinem Kämmerlein einzuschließen, strecktest du höflich die Hand aus, begrüßtest die fremden Wörter mit deiner gewohnten Gastfreundschaft. Du, liebe deutsche Sprache, hast durch so manch importierten Stempel eine Bereicherung erfahren, die dich ausdrucksstärker und komplexer, wohlklingender und dichterischer, intellektueller und wissenschaftsfähiger werden ließ.
Einige deiner Ärzte halten dich bereits für tot. Doch ich glaube an deine rasche Genesung. Schließlich reitet so manch holder Prinz heran, um dich aus deinem Koma wach zu küssen und mit Vorliebe Worte wie „blümerant“ und „Kleinod“ in den Mund zu nehmen. Denn mit deinen 1200 Jahren bist du, liebe deutsche Sprache, immer noch quicklebendig.
Deine Melanie.
Text: MelanieWeise
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Dein Brief hat mir sehr gut gefallen! Großes Lob :)
schoener brief. aber wir sollten die deutsche sprache nicht unterschaetzen, viele andere laender lernen immer noch deutsch als zweite Fremdsprache!
Die sollten sich mal einige lokale Praxisschilder angucken. ;)
Dem kann man zusatimmen!
Richtig spannend geschrieben:)! Am Anfang weiß man gar nicht, worum es geht;).