Nicht nur in Deutschland wird der Unterschied zwischen Arm und Reich immer größer. Auch im europaweiten Vergleich leben vor allem viele Menschen in Rumänien unterhalb der Armutsgrenze. Jasmin erlebt die große Kluft zwischen Arm und Reich jeden Tag.
16. December 2010 - 14:23 von SPIESSER-Autorin zahnfee.
Jasmin ist zurzeit in Arad, Rumänien. Dort absolviert sie den Europäischen Freiwilligendienst. Regelmäßig schreibt sie, was sie erlebt.
An der sozialen Situation in Rumänien fällt einem vor allem auf, wie gegensätzlich diese ist – besonders in der Stadt. So haben wir hier Arm neben Reich, Bettler neben Bonzen, Villen neben Müllhalden, in denen Menschen hausen, Blocks mit Werbe-Flatscreen, Luxusläden, vor denen eine Mutter mit ihrem Kind Tag für Tag zusammengekauert sitzt und auf bessere Zeiten wartet.
Am Boden sitzt eine alte Frau, die sich kaum bewegen kann und von einem kleinen Mädchen mit einem nassen Taschentuch beworfen wird – hilflos versucht sie sich verbal und mit ihrem Gehstock zu wehren. Allein auf meinem Weg in die Arbeit (der übrigens täglich ca. 50 Minuten zu Fuß verschlingt) sind so viele alte und junge Menschen, die stets auf den selben Plätzen sitzen und betteln. Ich habe noch nie irgendwo solch einen hohen Bedarf an Hilfe gesehen wie hier. An jeder Ecke sitzt jemand, der bedürftig ist. Menschen mit weißen Nasen, Kleb- und Farbstoff schnüffelnd leben hier irgendwie auch nicht.
Doch obwohl ich jetzt eigentlich eher die schlechten Seiten des Landes beschreibe, muss ich sagen, dass ich mich hier sehr wohlfühle. Durch meine Familie, die ja selbst aus Arad und Umgebung kommt, verbindet mich einfach etwas mit diesem Land und seiner Kultur. Die Kombination verschiedener Gegensätze muss man natürlich auch mögen. Hier begrüßen sich Heruntergekommen und Schön, Arm und Reich, Mercedes und Dacia ohne Räder oder auch die vielen Pferdekarren, Roma und (oft korrupte) Geschäftsleute, streunende Katzen und Hunde, die teilweise mit nur drei Beinen durch die rumänischen Straßen humpeln.
Armut auf dem Dorf
Auf den Dörfern kann man den rumänischen Lebensstil nochmal ganz anders kennenlernen. Dort habe ich auch eine Begegnung gemacht, die mir in Erinnerung bleiben wird. Halb verdurstet haben mein Freund und ich uns – erfolglos – auf die Suche nach einem kleinen Laden gemacht, stattdessen aber am „Straßen“rand zufälligerweise eine alte Frau getroffen, mit der mein Freund entfernt verwandt ist. Sofort hat sie uns zu sich eingeladen auf ein Glas Wasser und ein Pläuschchen.
Ich möchte versuchen ihr Haus zu beschreiben. Es ist ein altes, kleines und heruntergekommenes Haus, an dem vor allem auch die Decke schon herunterkommt. Die alte Frau lebt dort alleine und schläft unter Löchern in der Decke, wo sie stets Gefahr läuft, eines Tages von dieser erschlagen zu werden. Das einzige Lebewesen, dass wirklich Zeit mit ihr verbringt, ist ihr Hund „Rocky“. Der streift die ganze Zeit durch Haus und Garten und sie macht es ihm gleich. Obwohl sie wirklich sehr arm ist, hat sie uns Tüten voller Paprika und Kürbisse mitgegeben und als Gegenleistung nur gefragt, ob wir nicht ab und an ein Gebet für sie sprechen könnten.
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Was mir jedoch wirklich in Erinnerung bleiben wird, ist Folgendes: Das Glas Wasser hat nach einer Toilette verlangt (hat mich meine Blase also abermals in eine unangenehme Situation gebracht!) und so habe ich die Frau nach einer solchen gefragt. Daraufhin hat sie mir geantwortet: „Die alte Tante hat so etwas nicht! Hier kümmert sich keiner um mich, deshalb hab‘ ich auch kein Klo.“ Ich habe zuerst wirklich nicht richtig verstanden und dann nochmal nachgefragt. Danach habe ich mich dafür geschämt, der Frau so taktlos „Wie bitte? Sie haben keine Toilette?“ an den Kopf geworfen zu haben, aber ich konnte es einfach nicht glauben. Sie hat mir dann erklärt, dass sie sich immer ein Eckchen in ihrem Garten sucht, in das sie dann macht. Größeres verrichtet sie, wenn ich das richtig gesehen habe, in einen Eimer.
Das letzte Mal schrieb Jasmin über das Abenteuer Zugfahren auf rumänisch. Auch da hatte sie ein sanitäres Problem, was sie mit den Worten "Da würde ich nicht mal reinkotzen" quittierte.
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Ja, ich vergleich' natürlich auch die ganze Zeit das, was ich eben schon aus Deutschland kenne und dann das, was hier so passiert. Und da fällt einem wirklich tagtäglich auf: Irgendetwas läuft hier verkehrt. Es gibt Menschen, denen es am Nötigsten fehlt und dann wieder das totale Kontrastprogramm. Ein paar Robin Hoods wären hier echt von Nöten!
Und auch die Geschichten, die die Leute hier zu erzählen haben. Da hat das Elend nochmal andere Ausmaße, denn oft kommt ja zur rein praktischen Armut noch die soziale Verelendung dazu.
Mir läuft's grad den Rücken runter.
Ich weiß nie wie ich auf soetwas reagieren soll, ausser schockiert zu sein. =S
So ein Erlebnis muss man persönlich erleben als erzählt bekommen.
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Unglaublich das so etwas in einem EU Land vorkommen kann...
Da muss aber noch ne gewaltige Umverteilung statt finden!
Toller und vorallem interessanter Artikel :)!