Auch in Deutschland „erfreuen“ sich nicht nur Stammtische nationalistischer Parolen. Die aus Brüssel würden doch eh alles entscheiden, ständig zwingen sie uns unsinnige Reformen auf und am Ende müssen wir eh wieder die Pleitegriechen bezahlen.
Liberale Parteien wettern gegen den Euro und untermauern ihre Forderungen mit pseudo-wirtschaftswissenschaftlichem Gerede. Währenddessen flirten konservative Parteien mit dem rechten Wählerrand, indem sie vor Rumänen in unserem Sozialsystem warnen und damit fahrlässig fremdenfeindliche Ressentiments befeuern. Haben sich auch die Medien für die zunehmende Hexenjagd zu verantworten, wenn sie unausgewogene Artikel über reiche Griechen schreiben, welche sich auf deutsche Kosten bereichern? Wahrscheinlich.
Ja, die Symptome sind deutlich sichtbar, doch was sind die Ursachen? Fehlen der großen Idee eines geeinten Europa vielleicht Identifikationsfiguren? Ist Brüssel vielen zu weit weg, zu fremd, zu unvertraut? Was machen die da oben eigentlich?
Dabei können wir doch durchaus Einfluss nehmen: Immer wieder setzen sich Petitionen durch, wie die gegen Privatisierung von Wasser. Zudem dürfen wir alle fünf Jahre unsere Repräsen-tanten für das Europaparlament wählen, oder auch abwählen. Dank der Abschaffung der 3%-Hürde können wir jetzt sogar Vertreter kleinster Parteien aus der langen Liste der Parteien wählen, die meine Meinung vielleicht am ehesten widerspiegeln.
Natürlich bedeutet die große Auswahl auch, dass wir uns mit mehreren Parteiprogrammen auseinandersetzen müssen. Das ist der große Knackpunkt: Wir müssen uns kümmern. Denn Demokratie, auch auf EU-Ebene, funktioniert nur, wenn wir uns informieren und aktiv mitgestalten wollen. Ignorant am Stammtisch zu sitzen und auf Brüssel zu schimpfen ist zwar einfach, wird aber schlichtweg nichts ändern. Also nicht sitzen bleiben, sondern hingehen und mitbestimmen.
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Informations-Zentrum (EIZ) Niedersachsen.
Text: Julius Wußmann
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