Die Trauer über den abgestürzten Germanwings-Flug 4U-9525 ist noch allgegenwärtig, mit Hochdruck wird an der Aufklärung des Unglücks gearbeitet. Aber was passiert eigentlich nach so einem Unfall, warum wollen alle diese Black Box und wie sicher ist Fliegen überhaupt? SPIESSER-Autorin Vicky hat mit dem Luftfahrtexperten Cord Schellenberg gesprochen.
24. March 2016 - 15:43 SPIESSER-Redakteurin MissFelsenheimer.
SPIESSER: Was passiert nach so einem Unglück, wie sind die Abläufe und wer ermittelt?
Was ist passiert?
Am Dienstagvormittag stürzte ein Flugzeug der Fluggesellschaft Germanwings auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen ab. Alle 144 Passagiere sowie die sechs Crewmitglieder kamen dabei offenbar ums Leben. Unter den Fluggästen waren nach neuesten Angaben 72 Deutsche, darunter auch 16 Schüler und zwei Lehrer aus Nordrhein-Westfalen.
Cord Schellenberg: Vieles passiert gleichzeitig. Zum einen versucht die Flugsicherung, wieder Kontakt zum Flugzeug aufzunehmen. In vielen anderen Ländern wird parallel die Luftwaffe alarmiert. Das passiert meistens dann, wenn es zwar noch einen Kontakt gibt, aber keiner antwortet. Dann steigen Flugzeuge auf, um die Maschine abzufangen und zu eskortieren. Wenn klar ist, dass es einen Unfall gegeben hat, werden zivile Organisationen alarmiert, um in dem Bereich, wo man das Flugzeug vermutet, mit Hubschraubern, Schiffen und ähnlichem zu suchen. Manchmal melden sich auch Anwohner bei der örtlichen Polizei.
Wenn der Unfall bestätigt ist, wird sofort die nationale Unfalluntersuchungsbehörde alarmiert. Sie bekommt Unterstützung von Polizei und Staatsanwaltschaft, wenn es beispielsweise darum geht, die Unfallstelle zu sichern, Überlebende zu betreuen und darauf zu achten, dass nichts geplündert wird.
Warum ist die Black Box so wichtig? Welche Informationen kann man daraus ziehen und wieso der Name?
Bei der Untersuchung des Stimmenrecords fanden die Ermittler heraus, dass der Co-Pilot Andreas L. das Flugzeug wohl absichtlich hat abstürzen lassen.
Warum, weiß ich nicht. Ich vermute, weil sie etwas Geheimnisartiges hütet und man nicht von außen hineinschauen kann. Aber sie ist meistens orange gekennzeichnet, damit sie zwischen den Trümmerteilen gut gefunden werden kann.
In vielen Flugzeugen sind zwei solcher Boxen eingebaut. Die eine zeichnet Stimmen, Geräusche und Gespräche über Mikrofone im Cockpit auf. Man nennt ihn auch Stimmenrecorder. Die andere Blackbox heißt Flugdatenschreiber. Dieser zeichnet bis zu 1.200 Parameter der Flugzeugtechnik und -elektronik gleichzeitig auf.
Derzeit wird diskutiert, ob ab sofort immer zwei Leute im Cockpit sein müssen. Für wie sinnvoll halten Sie dieses Zwei-Personen-Prinzip?
Der Co-Pilot war während des Sinkfluges alleine im Cockpit, er hatte sich dort wohl verbarrikadiert. In den USA ist es beispielsweise gesetzlich vorgeschrieben, dass sich stets zwei Personen im Cockpit befinden müssen.
Zuerst muss man klären, welche Aufgaben diese zweite Person hat und wie man sie darauf vorbereitet. Nur dort zu sitzen und etwas zu beobachten ist etwas anderes, als wenn man konkret auf etwas achten und eventuell sogar eingreifen soll. Eine Stewardess kann nicht von heute auf morgen die Aufgaben eines Piloten lernen.
Außerdem muss man herausfinden, wie es ablaufen soll. Möglicherweise führt es dazu, dass die Besatzung im Cockpit auf kurzen Flügen von ein bis zwei Stunden nicht auf Toilette muss und damit das Cockpit ständig besetzt ist.
Gibt es so etwas wie einen TÜV für Flugzeuge?
Die Flugzeuge haben seitens der Hersteller und jeweiligen Landesbehörden strikte Vorlagen, wenn es um die Instandhaltung, Wartung oder auch Intensität der Nutzung geht. Also wie viele Flugstunden, Starts und Landungen hat das Flugzeug hinter sich? Je mehr das sind, desto häufiger muss das Flugzeug kontrolliert werden.
Und gibt es so etwas auch für Piloten? Wann dürfen sie fliegen und wann nicht?
Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hat in der Wohnung des Co-Piloten ein ärztliches Atest gefunden. Er war wohl am Tag des Absturzes krankgeschrieben, hatte die Krankheit aber Medienberichten zufolge geheim gehalten.
Die Piloten müssen vorgeschriebe Zeiträume einhalten, Arbeitsstunden am Tag und pro Monat. Diese müssen sie dokumentieren, sodass man das jederzeit nachprüfen kann. Außerdem besitzen Berufspiloten Fluglizenzen, die sie regelmäßig erneuern müssen, indem sie Prüfungen ablegen. In der fliegerärztlichen Untersuchung prüft ein entsprechend geschulter Mediziner, ob der Pilot flugtauglich ist. Außerdem müssen sie im Flugsimulator verschiedene Situationen fliegen und ihr Können unter Beweis stellen. Wer eine oder beide Prüfungen nicht besteht, hat automatisch keine Fluglizenz.
Warum soll man sein Handy im Flieger ausschalten?
Da wird aktuell daran gearbeitet, ob es überhaupt notwendig ist, da viele Flugzeuge mit W-Lan ausgestattet werden. In der Vergangenheit war es möglich, dass die Elektronik im Cockpit während des Starts oder der Landung durch Handysignale gestört werden kann.
Wie sicher ist Fliegen überhaupt?
Fliegen ist weiter das sicherste Verkehrsmittel der Welt. Dazu ein paar Vergleichszahlen: Im vergangenen Jahr musste man auf Grund von Flugzeugsunglücken weltweit circa 1.000 Menschen beklagen. Allein in Deutschland gab es 2014 im Straßenverkehr 3.300 Tote.
Wo liegt eigentlich der Unterschied zu Billigflügen? Wie sicher sind Billigflieger?
Alle Fluggesellschaften in Europa müssen gleich sicher sein. Jede Fluggesellschaft kann nur dann Geld verdienen, wenn ihre Flieger technisch so in Stand sind, dass sie viel in der Luft sein können. Sichere Flugzeuge liegen also im Interesse der Anbieter.
Interview: Victoria Gütter
Teaserfoto: Flickr-User Bernal Saborio (CC BY 2.0)
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